Südwesteuropa mit dem Roller: Etappe 6

Aveiro bis Sevilla
  Bei Ankunft in Lissabon lagen knapp 4000 km hinter mir. Das Verkehrsaufkommen ist in Portugal von den vier bereisten Ländern am geringsten.
Das weitere Ranking zum jetzigen Zeitpunkt (abnehmende Güte in der angegebenen Reihenfolge)
    1. Preise: Portugal – Spanien – Deutschland – Frankreich
    2. Disziplin der Verkehrsteilnehmer: Deutschland – Spanien – Frankreich – Portugal  
Nach einer Sightseeing-Tour durch Lissabon am frühen Abend des Vortags verließ ich die Stadt am nächsten Vormittag. Als ich endlich einige Kilometer aus den verkehrsreichen Innenbezirken heraus war bemerkte ich, dass mein Mobiltelefon fehlt.
Ich fuhr zurück in die Innenstadt und suchte mein Zimmer im Hotel, Parkhaus, Parkeinfahrt und den ersten mit dem Roller zurückgelegten Kilometer in schweißtreibender Hitze zu Fuß ab. Nichts. Die Rezeption des Hotels rief mehrere Male die Nummer meines Telefons an; es klingelte, aber niemand hob ab. Ich versuchte das Handy über den Internetanschluss des Hotels zu orten, aber es war zu diesem Zeitpunkt nicht zu lokalisieren, und auch mein Google-Verlauf erbrachte nichts. Nach drei Stunden hektischer Suche bei 35 °C gab ich das Handy verloren. Ich sperrte die SIM-Karte über das Internet und gab eine Nachricht für den Sperrbildschirm auf dem Handy ein, dahingehend, dass der Finder das Mobiltelefon im Hotel „Turim“ abgeben möge, und hinterließ dem Hotel meine Email-Adresse.
Der Restwert des Handys ist nicht das Problem. Das Hauptproblem ist jetzt die Hotelsuche. Ich brauche jeden Tag ein anderes Hotel, und kann jetzt, wie in früheren Zeiten, von Hotel zu Hotel fahren, Lage des Hotels klären, fragen, ob was frei ist, und was es kostet, und mir das Zimmer ansehen. Auch bei der Restaurantsuche war das mobile Internet sehr hilfreich. Der Whatsapp-Kontakt mit der Familie und mit Freunden. Dann die verlorenen Telefonnummern, die (wenigen mit der Handykamera) aufgenommenen Fotos.
Eine beunruhigende Abhängigkeit. Anstatt mir cool gleich ein neues Mobiltelefon zu kaufen verließ ich Lissabon fluchtartig, über gerade Straßen mit wunderschönen Alleen. Eigentlich wollte ich an diesem Tag bis an die äußerste Südwestspitze der Algarve gelangen, aber da ich aufgrund der Umstände erst am frühen Nachmittag weg kam, war das nicht zu schaffen. Ich fuhr die Schnellstraße und zum Teil auch Autobahn gen Süden, musste dann aber auf der Höhe von Grândola aus Zeitgründen abbrechen und bog zur Küste ab, um gegen 19 Uhr in Vila Nova de Milfontes zu landen. Das erste aufgesuchte Hotel war voll belegt. Im zweiten gab mir im Empfang unten eine zahnlose alte portugiesische Hexe, die Spanisch verstand, zuerst den Schlüssel zu einem Zimmer ohne Dusche und Klo. Nachdem ich das festgestellt hatte, forderte ich einen weiteren Schlüssel für ein anderes Zimmer, und als ich mit diesem Schlüssel hochging und das zweite Zimmer aufschloss, erschreckte sich mit ängstlichen Schreien darin eine halbnackte ältere Frau, die das Zimmer schon bezogen hatte. Ich ging wieder runter, und vor dem Aufschließen mit dem dritten Schlüssel horchte ich vorsichtshalber an der Tür, und in der Tat, da duschte schon jemand drin. Im vierten Zimmer liege ich jetzt und habe sicherheitshalber die Kette an der Tür eingehängt.
Das kann noch interessant werden mit der Hotel- und Zimmersuche auf diese Art. Bis kurz vor Sagres am südwestlichsten Punkt Europas durchfuhr ich etwa 100 km mehr oder weniger schnurgerade Alleen aus Korkeichen (Quercus suber). Sagres selbst erschien mir kahl, staubig, touristisch; noch weniger schön dann die anschließenden Kilometer bis Faro. Ein durchgehend bebautes Gebiet, verkehrslastig und ebenfalls kahl und staubig.
Im Grenzort Vila Real de Santo António endete die Straße am Fluss; im Navi war einfach ein Weg über den Grenzfluss Guadiana eingezeichnet. Das war aber eine Fährverbindung. Am Schalter des Fährbetriebs sprach die Angestellte kein Spanisch, und das an der Grenze zu Spanien, und es war unklar ob ich jetzt da rüber konnte, anscheinend hing das mit irgendeiner Breite auf der Fähre zusammen, ich sollte erst ausprobieren. Da nur drei Minuten bis zur Abfahrt waren und und ich nicht anderthalb Stunden auf die nächste Fähre warten wollte löste ich das Ticket. Tatsächlich war es eine Personenfähre, die nur über einen schmalen Anlegesteg mit dem Ufer verbunden war.
Der Roller passte grade so durch.
Auf der anderen Seite des Flusses peilte ich den Ort Isla Cristina an, der gar keine Insel ist, sondern von Salzmarschen umgeben ist. Dort ging ich wieder auf Hotelsuche. Das erste, 1 Stern, in einer Seitengasse gelegen, sah etwas schäbig aus. Die Umstände im letzten Hotel (in dem ich übrigens in der Nacht auch noch zwei Stunden auf Stechmückenjagd war) hatten mir gereicht. Das nächste, ein Betonklotz, hatte 4 Sterne, und ich suchte es auf weil ich hoffte, dort einen Gäste-PC mit Internetanschluss in der Lobby zu finden. Dem war nicht so, der Empfang strömte eine unpersönliche Atmospäre aus, und dann wollten sie noch  € 186.- für ein Einzelzimmer. Das dritte: Am Ende des Städtchens, tropisches Ambiente, Vogelstimmen in den Bäumen, in einer Voliere pfeift durchdringend ein Graupapagei, Korbmöbel, gutes kaltes Bier, Palmen und Eukalyptus, ein schöner Swimming Pool, überall Azulejos, Mosaikkacheln, eine schöne Architektur, ruhig, eine Wohltat an einem sehr warmen Abend. Ob ich hier mit Handybuchung gelandet wäre? In einem Ambiente wie hier kriegt man Lust, ein Cigarillo zu rauchen.

Kein Licht ohne Schatten: Das Frühstück karg (aber das ist typisch für Spanien), und es wurde mir nicht gestattet, in meiner Notsituation an ihrem Empfangs-PC meine Emails zu checken. Man verwies mich stattdessen an ein „Locutorio“, einen Telefonladen mit öffentlichen Telefonen, in der Calle España
Das war eigentlich ein fensterloser dunkler Tante-Emma-Lebensmittel-Laden, vor dem auch auf einem winzigen Schild „Internet“ stand. Die Tante Emma war ein sehr feundlicher älterer Araber, der Spanisch mit fürchterlichem Akzent sprach, aber sehr gerne ins Englische wechselte, offensichtlich ein bißchen herumgekommen war, und drei oder vier ältere dampfgetriebene PCs mit Internet vermietete. Ich scheckte meinen Mehlaccount, schrieb auch die eine oder andere Mehl an Bekannte und Freunde, und just in dem Moment kam eine Mehl vom Hotel „Turim“ in Lissabon mit der Mitteilung rein, dass jemand mein Telefon bei ihnen abgeliefert hätte. Ich buchte gleich hier beim Araber ein Hotel in Sevilla und vereinbarte mit dem Hotel in Lissabon, dass sie das Handy auf dem schnellsten Weg in dieses Hotel schicken sollten (auf Kosten meiner Kreditkarte natürlich). Voller Zuversicht machte ich mich über El Rocío auf den Weg nach Sevilla. Zum siebten Teil: Sevilla