CP in Granada, Samstag, 07.05.1983, 13:00 Mein Abteil hatte sich leider noch fast komplett aufgefüllt. So kam hinlegen, auch in stark angewinkelter Körperlage, nicht in Betracht. Ich schlief höchstens ein bis zwei Stunden insgesamt, und auch nur mit Hilfe etlicher Schlucke Sherry. Am Morgen durchfuhr der Zug die Strecke zwischen Alicante und Murcia; die Flussniederungen des Rio Vilanapo und des Rio Guadalentin waren in dichten Nebel gehüllt. In Murcia stieg eine Gruppe etwa 18jähriger Schüler und Schülerinnen zu und vertrieb bald die Müdigkeit bei mir. Die Verständigung war zwar sehr mühevoll – nur zwei verstanden ganz einfaches Englisch, obwohl sie es immerhin drei Jahre in der Schule hatten-, aber es ging, notfalls nonverbal. Auch jetzt wieder: Die Spanierinnen strahlen viel Erotik aus und scheinen den Flirt über alles zu lieben (auch wenn sie mit jemanden liiert sind); so war dieser Tag im Zug doch noch sehr kurzweilig. Um 18:30 erreichten wir Granada. Rad und Gepäck waren auch da; ich sattelte (unter Mühe: Es war sehr warm, und außerdem hatte ich mich von den Spanierinnen zu unnötig hohem Zigarettenkonsum animieren lassen; das mit dem Schlafmangel vermixt ergab nun Kopfschmerzen) und radelte zum glücklicherweise nahen CP. Dort: fast nur Deutsche, teilweise im Bus mit Großzelt, anscheinend bildungsbeflissen. Teils lärmend, teils in stiller Zweisamkeit oder Familie. Und: die rollenden Särge der “Rotel Tours”. CP bei Almuñecar, Montag, 09.05.1983, 20:00 Am Samstag gegen 14 Uhr brach ich Richtung Alhambra auf. Samstag: Das ist Wochenende mit entsprechenden Besucherzahlen. Oft musste ich lange warten, bis ein Bild menschenleer oder zumindest menschenarm war: kein guter Tag für die Gebäudefotographie. Das Areal ist groß, zu viel für einen halben und zu anstrengend für einen ganzen Tag. Ein ausführlicher Führer scheint unerlässlich; so konnte ich am Abend nur Eindrücke mit mir nehmen. Der Blick von der Alcazabar auf die Altstadt, im Süden auf einem Hügel gelegen, verdient den Ausdruck malerisch par excellence. Die mannigfaltigen Verzierungen der Räume und Innenhöfe hätten, um noch eindrucksvoller zu wirken, mehr äußere Ruhe benötigt. Die Konzentration auf das Photographieren nahm so zu viel Aufmerksamkeit in Anspruch. Vielleicht hatte ich schon zu viele großartige Photos der Alhambra gesehen, ein überwältigendes Erlebnis blieb aus; vielleicht erdrückte auch nur ganz einfach die Fülle. Einige der Schülertruppe aus dem Zug entdeckten auf dem Weg von der Burg ihren „el profesor“ und vollführten ein ziemliches Geschrei, gaben mir auch die Adresse ihres Hotels; allein ich war am Abend zu müde, diesen Ort auf zu suchen. Am nächsten Morgen lagen 70 km vor mir. Ich hatte nur eine Autokarte 1:800 000; da es jedoch nach Bergen aussah, zog ich es sowieso vor, die Hauptstraße anstelle der stets mit wesentlich mehr Höhenmetern versehenen Nebensträßchen zu nehmen. Auch mein Zeltnachbar hatte mir erzählt, dass es einige Male bergauf-bergab ginge, und dass es mit dem Auto etwa zwei Stunden bräuchte. Dies und das Wissen, dass es am Rande der fast unbevölkerten Sierra Nevada entlang ging, beunruhigte mich ein klein wenig. Es war dann jedoch nicht einmal halb so schwierig wie befürchtet; ich hatte genug zu trinken mit und ersetzte 1,5 L Flüssigkeit und Elektrolyte, das meiste in Form von cerveza. Am Meer angekommen konnte ich sogar noch in Richtung eines weiter entfernteren, aber nach Málaga zu gelegenen CP fahren. Für die flotte Bewältigung der Strecke war natürlich die Tatsache erheblich, dass Granada  etwa 740 m über Meeresniveau liegt. Die Küstenstraße, eine auf der Karte dick rot eingezeichnete Hauptverkehrsstraße, wies etliche „Desvios“ in ?? (weiß nicht mehr) auf: ohne Aspalt, staubige Schlaglochpiste. Henri heißt der Besitzer des CPs hier; er ist ein im besten Alter stehender Belgier, und ihm imponierte meine Radtour („Ich hätte auch gerne einen solchen Sohn gehabt“), und er zeigte mir zusammen mit einem anderen Radfahrer sein Anwesen, und erzählte einiges von sich und seinen Träumen (auf mein Kompliment, dass er hier direkt am Meer einen wunderschönen Ort zum Leben hätte antwortete er, dass er lieber am Fluss wohnen würde: „Wenn ihr einen schönen Fluss findet, so schreibt mir“). Er hat viele subtropische Pflanzen vor langen Jahren angepflanzt und kauft seit sechs Jahren exotische und seltenere heimische Vogelarten und hält sie in großzügigen Volieren. Ich hatte beschlossen, noch einen Tag hierzubleiben, da ich am Abend noch ein Zelt mit zwei recht hübschen Mädchen entdeckt hatte. Da ich nicht radfahren wollte, schlief ich lange. Als ich dann endlich aus meinem Zelt kroch, war das Zelt samt Mädchen weg. Der frühe Vogel fängt den Wurm. Ansonsten sehe ich hier keine für mich interessanten Leute im CP, ich befürchte, jetzt beginnt eine rechte Touristenpassage. Ein ereignisloser und langweiliger Tag. Ein verlorener Tag. CP bei Benajarate, Dienstag, 10.05.1983, 18:30 Mit innerer Dynamik begann ich den neuen Tag, da es wieder weiter ging. Gleichwohl lässt sich nicht verhehlen, dass die Heimreise immer näher rückt und mehr und mehr meine Gedanken in dieser Richtung verweilen. Die Gefühle sind gemischt. Kaum auf der Straße, begrüßte mich ein alter Bekannter, der mich fünf Radfahrtage mit seiner Gegenwart verschont hatte, auf die ihm eigene, derbe Art: Der Gegenwind. Die gesteckte Tagesetappe lag bei 83 km. Nach den ersten 20 km, auf denen es die Küste entlang ständig bergauf und bergab ging, musste ich einsehen, dass ich einen schlechten Tag erwischt hatte; der Pudding wich und wich nicht aus den Knien. Das einzig positive: zweimal erwischte ich einen Lastwagen, der an den Steigungen kaum doppeltes Schritttempo schaffte, und hängte mich an. Beidesmal nicht ungefährlich: Das erste Mal hing ich direkt hinten, ohne Sicht nach vorn. Der LKW beschleunigte plötzlich, ich wollte nicht loslassen, da ich noch eine Steigung vor uns wähnte. Doch wir verschwanden in einem langen Tunnel, ich ließ im letzten Moment los, kam bedrohlich ins Schwanken und sah sah dann zu, dass ich mein Licht an bekam. Das zweite Mal hing ich an der Seite, wo allerdings kein guter Griff möglich war. So dass das Gewicht des Rads bald in die Finger ging. Hier ließ ich auch gerade noch rechtzeitig los; diesmal aber vor einem Doppelposten der Guardia Civil. Der hinter der nächsten Kurve lauerte und mir wohl ziemliche Scherereien beschert hätte. Nach 60 km hatte mich der Gegenwind geschultert. Als ein CP auftauchte ließ ich das Etappenziel Málaga sausen und bog ein. Als das Zelt stand, war erst mal eine Stunde Horchdienst an der Isoliermatte fällig. CP zwischen Fuengirola und Marbella, Mittwoch, 11.05.1983, 21:30 Der letzte CP war eine Art Geisterstadt: Es befanden sich dort etwa 80 Wohnwagen, fast alle mit Vorzelt. Obwohl vereinzelt Wäsche flatterte, sah ich während meines Aufenthalts niemanden. Halt, doch, am Abend: Zwei Irinnen, in einem winzigen Zelt, eine davon sehr hübsch und kokett: Zog sich nach dem Duschen im mir zugewandten offenen Zelt um. Ich war aber gestern Abend total fertig. Das bin ich auch heute Abend. Heute Morgen fuhr ich gegen 10 Uhr los, die körperliche Verfassung war ganz gut, der Gegenwind hielt sich zunächst noch in Grenzen. In Málaga verzichtete ich gegen ursprüngliche Absicht auf die Begehung der Sehenswürdigkeiten; mir war einfach nicht danach. Ich fuhr einige Straßen ab, um ein Schreibwarengeschäft zu suchen (ich brauchte Briefpapier und Umschläge für die Bewerbung beim Oberschulamt Stuttgart), fand aber keins. Die scheinen in Spanien generell Seltenheitswert zu haben. Briefpapier und Umschläge erstand ich dann in einem Supermarkt, in dem im Übrigen seltsamerweise alles viel teurer als in den kleinen Läden war, es galt offenbar als schick, dort einzukaufen. Was ich nicht bekam, waren die nötigen Straßenkarten. Der Gegenwind verstärkte sich von Stunde zu Stunde. Gegen 16 Uhr war es dann wieder soweit: Radschieben auf völlig ebener Strecke. Die letzten 8 km bis zum CP: Eine Quälerei. CP zwischen Fuengirola und Marbella, Donnerstag, 12.05.1983, 11:00 Die Tage eilen grade vorbei: Konturlos. Ich denke ich kann schon beginnen, etwas Resumee zu ziehen. Die Fahrt würde ich so nicht wiederholen. Wenn schon in der Art, dann so: Im Winter/Frühling mit der Bahn in den Süden fahren, meinetwegen bis Portugal oder auch Tunesien, und dann hoch zu uns dem Sommer entgegen. So eine Reise ist anstrengend genug, als dass auch noch größere Probleme mit Kälte, Regen und vor allem mit Wind hinzuzukommen brauchen. Auch die zunehmende Hitze im Süden ist zu beachten, die Temperaturen dürften in den letzten vier Tagen bei etwa 30 °C/Schatten gelegen haben. Problemfaktor Nr. 1 ist jedoch der Wind. Dies betrifft v.a. Fahrten im Frühjahr in Flusstälern und an Meeresküsten entlang, hier empfiehlt es sich zuvor Erkundigungen einzuziehen. Wenn an langen Steigungen oder auch bei Gegenwind Autos an mir vorbeibrausten: Fahren in diesen stickigen Blechkisten habe ich nie geneidet. Wohl aber, in diesen Situationen, wohl aber motorisierte Zweiräder. Sobald mirs finanziell möglich ist, werde ich mir ein Motorrad eintun. Auf dem gestrigen öden Campingplatz wie auf dem heutigen öden standen bzw. stehen in erster Linie britische Caravans. Briten bevölkern auch die ganze Costa del Sol, die plump kommerziell ausgerichtet ist. Das spricht nicht gerade für den Geschmack der Briten. Aber auch auf Deutsche ist man gut eingestellt: „Hotel deutsches Haus“, „Bäckererei – Deutscher Meisterbetrieb“ und ähnliches. Die ganze Fahrt auf der stark befahrenen N. 340 ist wirklich alles andere als schön.
Siegfried Trapp
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CP in Granada, Samstag, 07.05.1983, 13:00 Mein Abteil hatte sich leider noch fast komplett aufgefüllt. So kam hinlegen, auch in stark angewinkelter Körperlage, nicht in Betracht. Ich schlief höchstens ein bis zwei Stunden insgesamt, und auch nur mit Hilfe etlicher Schlucke Sherry. Am Morgen durchfuhr der Zug die Strecke zwischen Alicante und Murcia; die Flussniederungen des Rio Vilanapo und des Rio Guadalentin waren in dichten Nebel gehüllt. In Murcia stieg eine Gruppe etwa 18jähriger Schüler und Schülerinnen zu und vertrieb bald die Müdigkeit bei mir. Die Verständigung war zwar sehr mühevoll – nur zwei verstanden ganz einfaches Englisch, obwohl sie es immerhin drei Jahre in der Schule hatten-, aber es ging, notfalls nonverbal. Auch jetzt wieder: Die Spanierinnen strahlen viel Erotik aus und scheinen den Flirt über alles zu lieben (auch wenn sie mit jemanden liiert sind); so war dieser Tag im Zug doch noch sehr kurzweilig. Um 18:30 erreichten wir Granada. Rad und Gepäck waren auch da; ich sattelte (unter Mühe: Es war sehr warm, und außerdem hatte ich mich von den Spanierinnen zu unnötig hohem Zigarettenkonsum animieren lassen; das mit dem Schlafmangel vermixt ergab nun Kopfschmerzen) und radelte zum glücklicherweise nahen CP. Dort: fast nur Deutsche, teilweise im Bus mit Großzelt, anscheinend bildungsbeflissen. Teils lärmend, teils in stiller Zweisamkeit oder Familie. Und: die rollenden Särge der “Rotel Tours”. CP bei Almuñecar, Montag, 09.05.1983, 20:00 Am Samstag gegen 14 Uhr brach ich Richtung Alhambra auf. Samstag: Das ist Wochenende mit entsprechenden Besucherzahlen. Oft musste ich lange warten, bis ein Bild menschenleer oder zumindest menschenarm war: kein guter Tag für die Gebäudefotographie. Das Areal ist groß, zu viel für einen halben und zu anstrengend für einen ganzen Tag. Ein ausführlicher Führer scheint unerlässlich; so konnte ich am Abend nur Eindrücke mit mir nehmen. Der Blick von der Alcazabar auf die Altstadt, im Süden auf einem Hügel gelegen, verdient den Ausdruck malerisch par excellence. Die mannigfaltigen Verzierungen der Räume und Innenhöfe hätten, um noch eindrucksvoller zu wirken, mehr äußere Ruhe benötigt. Die Konzentration auf das Photographieren nahm so zu viel Aufmerksamkeit in Anspruch. Vielleicht hatte ich schon zu viele großartige Photos der Alhambra gesehen, ein überwältigendes Erlebnis blieb aus; vielleicht erdrückte auch nur ganz einfach die Fülle. Einige der Schülertruppe aus dem Zug entdeckten auf dem Weg von der Burg ihren „el profesor“ und vollführten ein ziemliches Geschrei, gaben mir auch die Adresse ihres Hotels; allein ich war am Abend zu müde, diesen Ort auf zu suchen. Am nächsten Morgen lagen 70 km vor mir. Ich hatte nur eine Autokarte 1:800 000; da es jedoch nach Bergen aussah, zog ich es sowieso vor, die Hauptstraße anstelle der stets mit wesentlich mehr Höhenmetern versehenen Nebensträßchen zu nehmen. Auch mein Zeltnachbar hatte mir erzählt, dass es einige Male bergauf-bergab ginge, und dass es mit dem Auto etwa zwei Stunden bräuchte. Dies und das Wissen, dass es am Rande der fast unbevölkerten Sierra Nevada entlang ging, beunruhigte mich ein klein wenig. Es war dann jedoch nicht einmal halb so schwierig wie befürchtet; ich hatte genug zu trinken mit und ersetzte 1,5 L Flüssigkeit und Elektrolyte, das meiste in Form von cerveza. Am Meer angekommen konnte ich sogar noch in Richtung eines weiter entfernteren, aber nach Málaga zu gelegenen CP fahren. Für die flotte Bewältigung der Strecke war natürlich die Tatsache erheblich, dass Granada  etwa 740 m über Meeresniveau liegt. Die Küstenstraße, eine auf der Karte dick rot eingezeichnete Hauptverkehrsstraße, wies etliche „Desvios“ in ?? (weiß nicht mehr) auf: ohne Aspalt, staubige Schlaglochpiste. Henri heißt der Besitzer des CPs hier; er ist ein im besten Alter stehender Belgier, und ihm imponierte meine Radtour („Ich hätte auch gerne einen solchen Sohn gehabt“), und er zeigte mir zusammen mit einem anderen Radfahrer sein Anwesen, und erzählte einiges von sich und seinen Träumen (auf mein Kompliment, dass er hier direkt am Meer einen wunderschönen Ort zum Leben hätte antwortete er, dass er lieber am Fluss wohnen würde: „Wenn ihr einen schönen Fluss findet, so schreibt mir“). Er hat viele subtropische Pflanzen vor langen Jahren angepflanzt und kauft seit sechs Jahren exotische und seltenere heimische Vogelarten und hält sie in großzügigen Volieren. Ich hatte beschlossen, noch einen Tag hierzubleiben, da ich am Abend noch ein Zelt mit zwei recht hübschen Mädchen entdeckt hatte. Da ich nicht radfahren wollte, schlief ich lange. Als ich dann endlich aus meinem Zelt kroch, war das Zelt samt Mädchen weg. Der frühe Vogel fängt den Wurm. Ansonsten sehe ich hier keine für mich interessanten Leute im CP, ich befürchte, jetzt beginnt eine rechte Touristenpassage. Ein ereignisloser und langweiliger Tag. Ein verlorener Tag. CP bei Benajarate, Dienstag, 10.05.1983, 18:30 Mit innerer Dynamik begann ich den neuen Tag, da es wieder weiter ging. Gleichwohl lässt sich nicht verhehlen, dass die Heimreise immer näher rückt und mehr und mehr meine Gedanken in dieser Richtung verweilen. Die Gefühle sind gemischt. Kaum auf der Straße, begrüßte mich ein alter Bekannter, der mich fünf Radfahrtage mit seiner Gegenwart verschont hatte, auf die ihm eigene, derbe Art: Der Gegenwind. Die gesteckte Tagesetappe lag bei 83 km. Nach den ersten 20 km, auf denen es die Küste entlang ständig bergauf und bergab ging, musste ich einsehen, dass ich einen schlechten Tag erwischt hatte; der Pudding wich und wich nicht aus den Knien. Das einzig positive: zweimal erwischte ich einen Lastwagen, der an den Steigungen kaum doppeltes Schritttempo schaffte, und hängte mich an. Beidesmal nicht ungefährlich: Das erste Mal hing ich direkt hinten, ohne Sicht nach vorn. Der LKW beschleunigte plötzlich, ich wollte nicht loslassen, da ich noch eine Steigung vor uns wähnte. Doch wir verschwanden in einem langen Tunnel, ich ließ im letzten Moment los, kam bedrohlich ins Schwanken und sah sah dann zu, dass ich mein Licht an bekam. Das zweite Mal hing ich an der Seite, wo allerdings kein guter Griff möglich war. So dass das Gewicht des Rads bald in die Finger ging. Hier ließ ich auch gerade noch rechtzeitig los; diesmal aber vor einem Doppelposten der Guardia Civil. Der hinter der nächsten Kurve lauerte und mir wohl ziemliche Scherereien beschert hätte. Nach 60 km hatte mich der Gegenwind geschultert. Als ein CP auftauchte ließ ich das Etappenziel Málaga sausen und bog ein. Als das Zelt stand, war erst mal eine Stunde Horchdienst an der Isoliermatte fällig. CP zwischen Fuengirola und Marbella, Mittwoch, 11.05.1983, 21:30 Der letzte CP war eine Art Geisterstadt: Es befanden sich dort etwa 80 Wohnwagen, fast alle mit Vorzelt. Obwohl vereinzelt Wäsche flatterte, sah ich während meines Aufenthalts niemanden. Halt, doch, am Abend: Zwei Irinnen, in einem winzigen Zelt, eine davon sehr hübsch und kokett: Zog sich nach dem Duschen im mir zugewandten offenen Zelt um. Ich war aber gestern Abend total fertig. Das bin ich auch heute Abend. Heute Morgen fuhr ich gegen 10 Uhr los, die körperliche Verfassung war ganz gut, der Gegenwind hielt sich zunächst noch in Grenzen. In Málaga verzichtete ich gegen ursprüngliche Absicht auf die Begehung der Sehenswürdigkeiten; mir war einfach nicht danach. Ich fuhr einige Straßen ab, um ein Schreibwarengeschäft zu suchen (ich brauchte Briefpapier und Umschläge für die Bewerbung beim Oberschulamt Stuttgart), fand aber keins. Die scheinen in Spanien generell Seltenheitswert zu haben. Briefpapier und Umschläge erstand ich dann in einem Supermarkt, in dem im Übrigen seltsamerweise alles viel teurer als in den kleinen Läden war, es galt offenbar als schick, dort einzukaufen. Was ich nicht bekam, waren die nötigen Straßenkarten. Der Gegenwind verstärkte sich von Stunde zu Stunde. Gegen 16 Uhr war es dann wieder soweit: Radschieben auf völlig ebener Strecke. Die letzten 8 km bis zum CP: Eine Quälerei. CP zwischen Fuengirola und Marbella, Donnerstag, 12.05.1983, 11:00 Die Tage eilen grade vorbei: Konturlos. Ich denke ich kann schon beginnen, etwas Resumee zu ziehen. Die Fahrt würde ich so nicht wiederholen. Wenn schon in der Art, dann so: Im Winter/Frühling mit der Bahn in den Süden fahren, meinetwegen bis Portugal oder auch Tunesien, und dann hoch zu uns dem Sommer entgegen. So eine Reise ist anstrengend genug, als dass auch noch größere Probleme mit Kälte, Regen und vor allem mit Wind hinzuzukommen brauchen. Auch die zunehmende Hitze im Süden ist zu beachten, die Temperaturen dürften in den letzten vier Tagen bei etwa 30 °C/Schatten gelegen haben. Problemfaktor Nr. 1 ist jedoch der Wind. Dies betrifft v.a. Fahrten im Frühjahr in Flusstälern und an Meeresküsten entlang, hier empfiehlt es sich zuvor Erkundigungen einzuziehen. Wenn an langen Steigungen oder auch bei Gegenwind Autos an mir vorbeibrausten: Fahren in diesen stickigen Blechkisten habe ich nie geneidet. Wohl aber, in diesen Situationen, wohl aber motorisierte Zweiräder. Sobald mirs finanziell möglich ist, werde ich mir ein Motorrad eintun. Auf dem gestrigen öden Campingplatz wie auf dem heutigen öden standen bzw. stehen in erster Linie britische Caravans. Briten bevölkern auch die ganze Costa del Sol, die plump kommerziell ausgerichtet ist. Das spricht nicht gerade für den Geschmack der Briten. Aber auch auf Deutsche ist man gut eingestellt: „Hotel deutsches Haus“, „Bäckererei – Deutscher Meisterbetrieb“ und ähnliches. Die ganze Fahrt auf der stark befahrenen N. 340 ist wirklich alles andere als schön.
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