Sogar unter etablierten Übersetzern  gibt es viele Missverständnisse über ihre Arbeit. Peter Urban, der deutsche Über- setzer von Anton Tschechow (1860-1904), hat behauptet, dass nicht eine Zeile seiner Übersetzungen seine eigene sei. Wie das? Hat Tschechow denn perfektes Deutsch geschrieben oder half er etwa nach seinem Tod als Ghostwriter bei der Übersetzung seiner Arbeiten? Nein, natürlich ist jedes Wort der deutschen Übersetzung ein Ergebnis der Anstreng- ungen des Übersetzers und nicht des Autors. Urbans Wiedergabe ist not- wendigerweise Interpretation, auch wenn er dies nicht so sieht. Eine Übersetzung ohne Interpretation ist einfach nicht möglich. Howard Goldblatt, der wohl berühmteste und sehr einflussreiche Übersetzer chinesischer Gegenwartsliteratur behauptet, die chinesischen Texte „texttreu“ zu übersetzen. Übernimmt er die genaue chinesische Satzstruktur und Zeichensetzung? Natürlich nicht! Wenn er das täte, würde er seinen flüssigen Stil verderben. Doch vielleicht ist er in einem weiteren Sinne texttreu? Übersetzt er alle Wörter des gegebenen Texts und überträgt die Sätze dann vollständig in sein großartiges Englisch? Nein, auch das nicht. Er hängt nicht der veralteten Idee an, einen Text wortweise zu übersetzen. Wir beide wollen eine Übersetzung, die kreativ und ausdrucksvoll ist, so wie es Ezra Pound vor langer Zeit gefordert hat, dessen Credo „mach es neu“ lautete. Folglich erfindet Howard Goldblatt den chinesischen Autor und sein großes Werk neu, auch wenn er das nicht öffentlich zugeben will. Text-Quelle: aus einem Vortrag, den Prof. Dr. Wolfgang Kubin im April 2009 bei einem Übersetzer- Symposium in Dallas/USA in englischer Sprache gehalten hat; www.de-cn.net
Siegfried Trapp
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Sogar unter etablierten Übersetzern  gibt es viele Missverständnisse über ihre Arbeit. Peter Urban, der deutsche Über- setzer von Anton Tschechow (1860- 1904), hat behauptet, dass nicht eine Zeile seiner Übersetzungen seine eigene sei. Wie das? Hat Tschechow denn perfektes Deutsch geschrieben oder half er etwa nach seinem Tod als Ghostwriter bei der Übersetzung seiner Arbeiten? Nein, natürlich ist jedes Wort der deutschen Übersetzung ein Ergebnis der Anstrengungen des Übersetzers und nicht des Autors. Urbans Wiedergabe ist not-wendigerweise Interpretation, auch wenn er dies nicht so sieht. Eine Übersetzung ohne Interpretation ist einfach nicht möglich. Howard Goldblatt, der wohl berühmteste und sehr einflussreiche Übersetzer chinesischer Gegenwartsliteratur behauptet, die chinesischen Texte „texttreu“ zu übersetzen. Übernimmt er die genaue chinesische Satzstruktur und Zeichensetzung? Natürlich nicht! Wenn er das täte, würde er seinen flüssigen Stil verderben. Doch vielleicht ist er in einem weiteren Sinne texttreu? Übersetzt er alle Wörter des gegebenen Texts und überträgt die Sätze dann vollständig in sein großartiges Englisch? Nein, auch das nicht. Er hängt nicht der veralteten Idee an, einen Text wortweise zu übersetzen. Wir beide wollen eine Übersetzung, die kreativ und ausdrucksvoll ist, so wie es Ezra Pound vor langer Zeit gefordert hat, dessen Credo „mach es neu“ lautete. Folglich erfindet Howard Goldblatt den chinesischen Autor und sein großes Werk neu, auch wenn er das nicht öffentlich zugeben will. Text-Quelle: aus einem Vortrag, den Prof. Dr. Wolfgang Kubin im April 2009 bei einem Übersetzer-Symposium in Dallas/USA in englischer Sprache gehalten hat; www.de-cn.net
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