Siegfried
Trapp
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Foto: Liesa
Johannssen/reuters
Rosalind Franklin
Rosalind Elsie Franklin (1920-1958) war eine britische Spezialistin für die
Röntgenstrukturanalyse kristallisierter Makromoleküle. Ihr wichtigstes Forschungsergebnis
war die mathematische Analyse ihrer Röntgenbeugungsdiagramme der
Desoxyribonukleinsäure; sie war Voraussetzung zur Aufklärung der Doppelhelixstruktur der
DNA. Ihr gemeinsam mit ihrem Doktoranden Raymond Gosling im April 1953 zu diesem Thema
veröffentlichter Forschungsartikel bildete die Basis für den parallel erschienenen Artikel von
James Watson und Francis Crick zur Struktur der DNA. Obwohl die Forschungsergebnisse von
Franklin die Grundlage für die Entschlüsselung der DNA durch Watson und Crick bildeten,
wofür die beiden 1962 den Nobelpreis erhielten, wurden weder Franklin noch Gosling für ihre
Forschung gewürdigt. Franklin starb vier Jahre vor der Vergabe des Nobelpreises im Alter von
37 Jahren an einer Krebserkrankung, die wahrscheinlich durch die Röntgenstrahlenexposition
während ihrer Forschung verursacht worden war.
Die entscheidende Aufnahme hatten Franklin und Gosling im Jahr 1952 am Londoner King’s
College angefertigt. Die Fotografie Nummer 51 enthält einen grauen Kreis und in seiner Mitte
ein gestricheltes, dunkel abgehobenes X. Wie sich herausstellte, war dieses X das
eindimensionale Negativ der dreidimensionalen Kurve der DNA, erstmals gebannt auf
Fotofilm.
Der Fall Franklin gilt als Beweis für den Matilda-Effekt: die systematische Verdrängung und
Leugnung des Beitrags von Wissenschaftlerinnen in der Forschung, deren Arbeit häufig ihren
männlichen Kollegen zugerechnet wird.
Franklin war in einer jüdischen. kosmopolitisch denkenden Familie aufgewachsen. Zuerst auf
einer Mädchenschule mit naturwissenschaftlichem Schwerpunkt, wurde sie mit 17 Jahren am
Newnham College der Universität Cambridge für ein Studium der Naturwissenschaften
zugelassen. Im Fach Physikalische Chemie schloss sie als Beste ab.
Wissenschaftlerinnen fanden insbesondere in den naturwissenschaftlichen Fächern nur sehr
schwer Anerkennung. Erst 1945 wurden die ersten Wissenschaftlerinnen in die britische Royal
Society aufgenommen. 1944 war das Jahr, in dem Otto Hahn mit dem Nobelpreis
ausgezeichnet wurde, Lise Meitner jedoch, wie in den Folgejahren, übergangen wurde.
Die widerstrebende Aufnahme von Frauen in die Reihen der Wissenschaftler erlebte Rosalind
Franklin nicht nur als Studentin. Während ihrer gesamten Forschungszeit litt sie an der
zögernden Akzeptanz von Forscherinnen in ihrem Fachgebiet. Insbesondere während ihrer
Forschungszeit am King’s College in London (1950–1953) schien ihr Geschlecht zur
mangelnden Akzeptanz seitens ihrer Kollegen beizutragen.
1947 holte sie die Physikerin Adrienne Weill, die während der Besetzung Frankreichs durch
die Nationalsozialisten in Cambridge gearbeitet hatte und aus dieser Zeit Rosalind Franklin
gut kannte, nach Paris an das staatliche Laboratoire Central des Services Chimiques de
l’Etat.
Immer wieder werden diese Pariser Jahre als Franklins glücklichste Zeit geschildert: Mit dem
Forschungsteam soll sie sich gut verstanden haben, ihre wissenschaftlichen Leistungen
wurden anerkannt. Womöglich war es auch das weltoffene Paris, das zu ihrem Glück beitrug.
Dort konnte sie sich als Frau sehr viel freier bewegen als im London der damaligen Zeit.
1950 kehrte sie nach London zurück, um unter Leitung von John Turton Randall am King’s
College London weiterzuforschen. Zu den Eigenarten John Randalls, unter dessen Leitung das
Laboratorium am King’s College stand, gehörte es, die Aufgabengebiete der Mitarbeiter nicht
klar abzugrenzen. Maurice Wilkins, der stellvertretende Leiter des Laboratoriums,
akzeptierte keine ihm gleichgestellte Kollegin und behandelte Franklin als seine Assistentin.
Selbst nach einer Intervention im Herbst 1951 durch Randall, mit einem klärenden
Dreiergespräch zwischen ihm, Wilkins und Franklin hatte Wilkins Mühe, Franklin zu
akzeptieren. Die beiden redeten kaum noch miteinander. Dass sie sich am King's College
nicht recht wohlfühlte und sich offenbar ganz auf ihre Studien konzentrierte, mag noch
einen weiteren Grund haben. Den beschreibt der Physiker Simon Altmann, ein jahrelanger
Freund Franklins in einem Interview mit Franklins Biografin Brenda Maddox so: „Wohlbelesen
in zwei Sprachen war sie ein zivilisiertes, intellektuelles Leben sowie Gespräche über
Malerei, Lyrik, Theater und Existenzialismus gewohnt… Jetzt umgaben sie Menschen, die
noch nie von Sartre gehört hatten, die hauptsächlich den ‚Evening Standard‘ lasen und denen
die Sorte Mädchen gefiel, die sich auf Fachbereichspartys betranken, von Schoß zu Schoß
weitergereicht wurden und sich den BH öffnen ließen.“
Als Maurice Wilkins auf das von Franklin gemachte Foto Nummer 51 stieß, zeigte er es den
ebenfalls die DNA erforschenden Wissenschaftlerkollegen Watson und Crick– und lieferte
ihnen damit den entscheidenden Hinweis auf die Doppelhelixstruktur der DNA. 1953
veröffentlichten Watson und Crick daraufhin einen Artikel in der Fachzeitschrift Nature. Sie
dankten Franklin dort zwar für ihren Beitrag, worin dieser bestanden hatte, ließen sie aber
unerwähnt. Es waren Watson und Crick, die nun als Entdecker des DNA-Models in seiner
Doppelhelixstruktur galten. Während Rosalind Franklin – so wird es in verschiedenen Quellen
dargestellt – jede voreilige Spekulation ohne ausreichend empirisch erforschtes
Beweismaterial zuwider war, ging es Watson und Crick um spektakuläre Entdeckungen.
Die Entschlüsselung der DNA und die Entdeckung der Doppelhelix lagen Anfang der 1950er
Jahre „in der Luft“. Zahlreiche Wissenschaftler unternahmen daher Anstrengungen, die
Struktur der DNA zu entschlüsseln. Zu den Personen, denen man am ehesten die
Entschlüsselung zutraute, zählte Linus Pauling, der bereits weitreichende Forschungen zu
Proteinen vorgenommen hatte. Er hatte schon 1951 für diese sein Modell der Alpha-Helix-
Struktur vorgestellt. Pauling veröffentlichte zu Anfang des Jahres 1953 ein fehlerhaftes DNA-
Modell, bei dem er drei DNA-Fäden unterstellte (Franklin schrieb ihm unmittelbar nach der
Veröffentlichung und begründete mit ihren Analysen, warum sein Modell nicht stimmen
konnte). Zwei zu dem Zeitpunkt noch unbekannte junge Wissenschaftler an der Universität
Cambridge, James Watson und Francis Crick – letzterer hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht
einmal seine Promotion abgeschlossen –, sahen in diesem Gebiet eine Möglichkeit, sich
wissenschaftlichen Ruhm zu erwerben. Ihnen war jedoch klar, dass sie sehr rasch zu
Ergebnissen kommen mussten und eine schnelle Veröffentlichung notwendig sein würde,
wollten sie einem Durchbruch von Pauling zuvorkommen. Beide standen in engem Austausch
mit Maurice Wilkins vom King’s College.
Während Franklin eine empirische Herangehensweise bevorzugte, lag die Stärke von Crick
und Watson in der Entwicklung von Theorien. Unter Einbezug der Informationen, die sie aus
einem Vortrag von Franklin am King’s College gewonnen hatten, entwickelten Crick und
Watson im Jahre 1952 ein Modell, das aus drei Helixsträngen bestand. Sie luden deshalb
Franklin und Wilkins Ende 1952 nach Cambridge ein, um ihnen ihr Modell der DNA
vorzustellen. Für Franklin war der Ausflug Zeitverschwendung; sie wies Watson und Crick
nach, dass ihr Modell völlig unzulänglich war, und reiste verärgert nach London zurück. Bei
aller Zeitnot hielt sie eine Modellbildung ohne Datenbasis nicht für sinnvoll und die
Aufstellung des Modells für verfrüht.
Am 30. Januar 1953 gewährte Wilkins, ohne von Franklin eine Erlaubnis dafür zu haben, bei
einem Besuch von Watson diesem (und damit auch Crick) Zugang zu Franklins
Beugungsaufnahme Nr. 51 mit einer Konfiguration der DNA, die insbesondere für Watson der
optische Beweis dafür war, dass die DNA eine Helix war.
Mitte März 1953 wurden Wilkins und Franklin nach Cambridge eingeladen, wo ihnen das
Modell von Watson und Crick vorgestellt wurde. Da es auf den eigenen Daten beruhte,
verwundert es nicht, dass sie der Richtigkeit unmittelbar zustimmten. Da Franklin keine
Kenntnis vom Datendiebstahl hatte, einigte man sich darauf, dass das Modell allein als das
von Watson und Crick veröffentlicht wurde, und Franklins Analysedaten separat. Im April
1953 erschienen in der wissenschaftlichen Zeitschrift Nature drei Artikel zur Struktur der
DNA: Im ersten stellten Watson und Crick ihr Modell vor – und gestanden in ihrem knapp
einseitigen Artikel ein:
„We have also been stimulated by a knowledge of the general nature of the unpublished
experimental results and ideas of Dr. M. H. F. Wilkins, Dr. R. E. Franklin and their co-workers
at King’s College, London.“
15 Jahre lang leugneten Watson und Crick, die exakten Daten von Franklins
röntgenspektografischen Befunden aus ihrem unveröffentlichten Forschungsbericht vorab
gekannt zu haben. Erst im Jahr 1968 veröffentlichte Watson sein Buch “Die Doppelhelix”, in
dem er seine Erinnerungen an dieses Projekt beschrieb und eingesteht, Franklins Daten
übernommen zu haben, ohne dass Franklin davon wusste.
Franklin wechselte 1953 zum Birkbeck College. Man ließ sie am King’s College unter der
Bedingung gehen, künftig nicht weiter die DNA zu erforschen
1956 wurde bei ihr ein Ovarialkarzinom diagnostiziert – möglicherweise eine Auswirkung ihrer
Arbeit mit Röntgenstrahlen.Bei einer Operation am 4. September 1956 wurden metastasierte
Tumorherde mit einer sehr schlechten Prognose gefunden. Von Krankenhausaufenthalten
unterbrochen betrieb sie bis kurz vor ihrem Tod am 16. April 1958 ihre Forschungen weiter.
1962 erhielten Watson, Crick und Wilkins den Nobelpreis für die Erforschung der Struktur der
DNA.
Rosalind Franklin 1955
Meine Website
Franklin in Paris (undatiert)
Mindestens drei Biografien befassen sich mit
Franklin. 1987 produzierte die BBC einen Fernsehfilm
namens „Life Story“, der in den USA unter dem Titel
„The Race for the Double Helix“ erschien. 2008
wurde in den USA ein Theaterstück mit dem Titel
„Photograph 51“ uraufgeführt. 2015 hatte das Stück
über Franklins Leben dann in London Premiere – mit
Nicole Kidman in der Hauptrolle.