Siegfried Trapp Willkommen Bienvenido Welcome
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               Politische Korrektheit PhantastischeWörter Politische Korrektheit, häufig Political Correctness als Lehnwort aus dem Englischen (kurz PC) ist ein aus dem englischen Sprachraum stammendes politisches Schlagwort, das insbesondere in der Theorie der öffentlichen Meinung eine Rolle spielt. In der ursprünglichen Bedeutung bezeichnet der englische Ausdruck politically correct, deutsch politisch korrekt, die Zustimmung zu der Idee, dass Ausdrücke und Handlungen vermieden werden sollten, die Gruppen von Menschen kränken oder beleidigen können (etwa bezogen auf Geschlecht oder Hautfarbe). Der Ausdruck ist älter, hat aber erst seit Beginn der 1990er-Jahre größere Verbreitung gefunden. Damals wurde er von der politischen Rechten und den Konservativen in den USA aufgegriffen, um die Verwendung und vorgebliche Dominanz „politisch korrekter“ Sprache als Zensur und Einschränkung der Redefreiheit zurückzuweisen. In der Folgezeit griffen auch konservative und neurechte Kreise in Europa das Schlagwort auf. Mitte der 1980er-Jahre wandten sich Studenten vor allem der University of California gegen Pflichtkurse zur westlichen Zivilisation (western civilization), in denen nach ihrer Auffassung die Werke „toter, weißer europäischer Männer“ (dead white European males, gemeint waren vor allem Philosophen der Aufklärung) zu sehr im Vordergrund standen. Sie verlangten eine Ausweitung des Lehrstoffs auf weibliche und außereuropäische Autoren und schufen Sprachkodizes (speech codes), die auf die Einbeziehung von Minderheiten abzielten. Mit der Ausweitung dieser Sprachregelungen gewann die ironisch verwendete Bezeichnung politically correct an Bedeutung. Seit Beginn der 1990er-Jahre wurde der Ausdruck von einer reinen Selbstbeschreibung zunehmend auch zu einem pejorativ gebrauchten Kampfbegriff der politischen Rechten in den USA. Konservative Studenten, Akademiker und Journalisten übernahmen die Bezeichnung und wandelten sie in eine Chiffre zur Ablehnung linker Antidiskriminierungsbemühungen; US-Konservative verwenden sie seit den 1990er- Jahren in politischen Zusammenhängen in Auseinandersetzungen mit ihren politischen Gegnern. Allerdings wurde und wird sie auch weiterhin von undogmatischen Linken verwendet. Im Laufe der Zeit wurde der Ausdruck substantiviert zu political correctness. Ariane Manske beschrieb den abwertenden Gebrauch des Ausdrucks Political Correctness als eine der „Strategien“ der konservativen Verteidigung traditioneller Werte. „Political Correctness“ äußert sich hierbei als „vehement betriebene Diffamierungskampagne gegen die Liberals“. Die Konservativen „setzten damit eine Strategie der politischen Diffamierung aus den 1980er Jahren direkt fort. An die Stelle des L-words (eine in der Wahlkampfkampagne 1988 von Konservativen geprägter negativ konnotierte Bezeichnung für den Liberalismus) trat nun Political Correctness, um gegen den liberalen ‚Feind‘ ins Feld zu ziehen.“ Dorothy E. Smith schrieb in ihrem 1999 zu dem Thema veröffentlichten Buch, dass political correctness ein ideologischer Code und Ausdruck eines Widerstands einer traditionellen Elite gegen den Verlust von Autorität und Macht sei. Der PC-Code sei von neokonservativer Seite instrumentalisiert worden und ermögliche es, Kritik an der institutionellen Ordnung und der kulturellen Dominanz bestimmter Gruppen zu unterdrücken und diskreditieren. Der PC-Code erscheine nicht als Zensur, obwohl der Code implizit diese Funktion erfülle, indem er öffentliche Diskurse und die Autorität und Glaubwürdigkeit der Diskursteilnehmer reguliere und darüber entscheide, worüber und in welcher Weise über Themen gesprochen wird. Der französische Philosoph und Autor Alain Finkielkraut definierte Politische Korrektheit als „Nicht sehen wollen, was zu sehen ist“, was nach Interpretation von Jürg Altwegg bedeute, den Blick von einer unerträglichen Wirklichkeit abzuwenden und der Wahrheit aus Mutlosigkeit oder irgendwelchen Rücksichten nicht ins Auge zu sehen. Verwendungskontext Inzwischen lassen sich zwei verschiedene Verwendungen der Bezeichnung unterscheiden: Erstens ist politische Korrektheit ein prägnantes und bekanntes politisches Schlagwort im Kontext der insbesondere in Nordamerika, Australien und Europa seit dem späteren 20. Jahrhundert vorhandenen gesellschaftlichen Tendenz, Interessen von Minderheiten stärker zu vertreten sowie Diskriminierung insbesondere im Sprachgebrauch zu vermeiden, die in der Vergangenheit akzeptiert oder schlicht unerkannt war. Mit der Aussage, dass etwas „politisch nicht korrekt“ oder „politisch inkorrekt“ sei, soll dementsprechend ausgedrückt werden, dass eine Norm verletzt wurde, eine Äußerung (oder Handlung) allgemeinen moralischen Normen zuwiderhandelt oder gar ein Tabu gebrochen wurde. Der zweite Kontext ist die Ablehnung einer als Freiheitsbeschränkung oder Zensur empfundenen gesellschaftlichen Norm oder Kritik, sei es, um am Gewohnten festzuhalten, sei es gegen Übertreibung bei der Vermeidung als negativ empfundener Bezeichnungen, oder weil durch zu viel Rücksichtnahme die Äußerung von (als solchen empfundenen) Fakten oder Wahrheiten unterdrückt würde. Diese Kritik vermeintlicher „politischer Korrektheit“ als Kampfbegriff gegen zu viel Rücksichtnahme oder gegen einen politischen Gegner ist gleichfalls als Schlagwort in Verwendung. In einer Rede an der Universität Michigan im Mai 1991 griff US-Präsident Bush Senior diesen neuen Medienausdruck auf und setzte sich damit im Zusammenhang mit der freien Rede auseinander: „Ironischerweise stellen wir am 200. Jahrestag der Bill of Rights fest, dass die freie Rede überall in den Vereinigten Staaten angefallen wird, auch auf dem Campus einiger Universitäten. Die Idee der politischen Korrektheit hat im ganzen Land eine Kontroverse entfacht. Und obwohl die Bewegung aus dem lobenswerten Bedürfnis entstanden ist, die Überreste von Rassismus und Sexismus und Hass wegzufegen, ersetzt sie nur alte Vorurteile durch neue. Sie erklärt bestimmte Themen zum Tabu, bestimmte Ausdrücke zum Tabu und sogar bestimmte Gesten zum Tabu. Was als Kreuzzug für Anstand begann, ist umgeschlagen in einen Konfliktherd und sogar in Zensur. Streitende betrachten puren Zwang als einen Ersatz für die Kraft der Gedanken – zum Beispiel indem sie ihren Kontrahenten bestrafen oder verweisen lassen.“ 1992 verband Ric Dolphin in seinem Buch Not Politically Correct: a Field Guide to Surviving the Pc Reign of Terror die Bezeichnung PC mit den Umerziehungsmethoden der chinesischen Kulturrevolution 1966. Bedeutungsveränderung durch Konservative Ariane Manske macht wie Weir und Wilson darauf aufmerksam, dass diese Kampagne der Neokonservativen die Konnotation der Bezeichnung verändert habe. Darin liege die Erklärung, wie der „Myth of Political Correctness“ (Wilson) wirke. Er lasse nämlich einen Bezug zur „Wahrheit“ aufschimmern – der Ausdruck wurde ja in einer ähnlichen Form, aber in einem anderen Sinn von Teilen der Emanzipationsbewegungen verwandt –, entleere und deformiere jedoch den ursprünglichen Sinn. So werde aus einer begründeten und positiv konnotierten politischen Aussage („Wenn wir keinen Rassismus wollen, benötigen wir auch das Wort ‚Nigger‘ nicht mehr“ etc.) eine Unterstellung („Du willst mir meine Sprache und das Denken verbieten“) und mit der Bezeichnung „Political Correctness“ markiert. Verbunden mit Vorstellungen von Zensur und Denkverboten etc. bekommt die Redewendung nicht nur eine negative Bedeutung, sondern eine völlig neue Aussage. Diese Aussage beschäftigt sich nicht mehr mit dem eigentlichen Problem. Sie wird zu einer Aussage über etwas (Metasprache). Verkürzt und symbolisiert in der Kurzform „pc“, lässt sich je nach Bedarf und Situation mit dieser Bezeichnung politisch über etwas sprechen, es nicht nur bezeichnen, sondern es auch einordnen. Weil die ursprüngliche Verwendung des Ausdrucks den Liberalen und Linken zugeordnet wird – etwa in der Form ironischer Selbstkritik (Lorna Weir) unter Mitstreitern –, erweckt er laut Wilson eine Authentizität und lebe wie alle Mythen von einer scheinbaren Realität. Die Soziologin Weronika Grzebalska und die Politikwissenschaftlerinnen Eszter Kováts und Andrea Pető ordneten den Widerstand gegen „politische Korrektheit“ in die ökonomische, kulturelle und politische Verunsicherung ein, die mit durch den Neoliberalismus ausgelöst wurde. Durch den Widerstand gegen politische Korrektheit wurde eine mögliche Alternative zur neoliberalen Individualisierung und Atomisierung dargeboten, die eine sichere und geschützte Gemeinschaft verspricht, basierend auf traditionellen familiären, nationalen und religiösen Werten sowie dem Wert der Meinungsfreiheit. Empirische Forschung zur Sprachregulierung Verwendung in Deutschland Im Deutschen kann politische Korrektheit einen Sprachgebrauch beschreiben, der durch eine besondere Sensibilisierung gegenüber Minderheiten gekennzeichnet ist und sich der Anti-Diskriminierung verpflichtet fühlt. Der Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch fasst 2010 zusammen: „Entscheidend ist bei der politisch korrekten Sprache das Ziel, durch eine Bewusstmachung sprachlicher Diskriminierung eine Bewusstmachung tatsächlicher Diskriminierung zu erreichen. […] Politisch korrekte Sprache kann dabei helfen, strukturelle Ungleichheiten aufzudecken.“ Gleichzeitig erfuhr die Bezeichnung politische Korrektheit einen Bedeutungswandel und wird nach Ansicht von Sabine Wierlemann als politisches Schlagwort von konservativer Seite als „Diffamierungsvokabel“ und „Fremdbezeichnung für das gesamte liberale Spektrum“ eingesetzt. Nationale Rhetorik Von rechtsextremen Autoren wird der Ausdruck abwertend verwendet. Die Kritik der Rechten an dem, was sie als „politische Korrektheit“ bezeichnen, richtet sich vor allem gegen die Vertreter der 68er-Generation. Dabei geht es nach Martin Dietzsch und Anton Maegerle darum, „die Bemühungen von Liberalen, Linken, Feministinnen, Vertretern von Minderheiten und Befürwortern von Multikulturalismus um eine Öffnung der Gesellschaft, das Hinterfragen von überkommenen Tabus, Vorstellungen und Stereotypen zu karikieren und zu verfälschen. Heute dient PC dazu, Verachtung auszudrücken für diese Anschauungen und Zielsetzungen. Dabei werden etwa die Relativierung des Leistungsstandards, die angebliche Einschränkung der freien Meinungsäußerung und die Gefahren selbstzerstörerischer Separation heraufbeschworen.“ Antidiskriminierung als Grundlage Die feministische Sprachforschung und die Psycholinguistik zeigen in vielen Studien, dass bei dem Gebrauch von generischen Maskulinformen (Forscher, alle Lehrer) im verallgemeinernden Sinne für Personen aller Geschlechter die Frauen weniger vorstellbar oder sichtbar werden als die Männer (siehe Studien). Um das generische Maskulinum zu vermeiden und die Gleichstellung der Geschlechter sprachlich sichtbar zu machen, wurde bereits Ende der 1970er-Jahre die Beidnennung empfohlen: Forscher und Forscherinnen oder in der höflichen Variante: Forscherinnen und Forscher. Dies konnte mit der Schrägstrich-Schreibweise abgekürzt werden: Forscher/innen, oder gemäß amtlichen Rechtschreibregeln mit Ergänzungsstrich: Forscher/-innen. Bald kam mit dem Binnen-I eine zusammengezogene Paarform auf: ForscherInnen, LehrerInnen. Daneben wurde aber auch das Ausblenden von geschlechtlichem Bezug durch Neutralisierung empfohlen: Forschende statt Forscher, oder Lehrkräfte, Lehrende statt Lehrer. Nach der Einführung der dritten Geschlechtsoption „divers“ (2018 in Deutschland und 2019 in Österreich) werden Beidnennungen zunehmend vermieden zugunsten genderneutraler Formulierungen: Lehrende statt Lehrer und Lehrerinnen. Diversgeschlechtliche Menschen mit nichtbinärer Geschlechtsidentität sollen sich durch Paarformeln mit maskuliner und femininer Wortform nicht ausgeschlossen fühlen. Im Sinne sozialer Inklusion verbreitet sich daneben die Verwendung des Gender-Gaps (Lehrer_innen), des Gendersternchens (Lehrer*innen) und des Gender-Doppelpunkts (Lehrer:innen), um alle Geschlechter und Geschlechtsidentitäten einzubeziehen. Abstammung und Ethnie Bezüglich der Benennung von Angehörigen bestimmter Ethnien und indigenen Völker werden bevorzugt die populärsten Eigenbezeichnungen genannt und ältere Ausdrücke vermieden. In Deutschland und Österreich wird beispielsweise die Bezeichnung „Sinti und Roma“ statt der früheren Attributierung Zigeuner verwendet. Auch „Schwarze“ ist eine gebräuchliche (Eigen-)Bezeichnung und soll anderen Ausdrücken wie „Farbige“ oder „Afrodeutsche“ vorgezogen werden (die Bezeichnungen „Neger“ oder „Mohr“ werden wegen ihrer rassistischen Konnotation abgelehnt). In Kanada werden die vielen Indigenen unterteilt in die Gruppen First Nations, Métis und Inuit (statt Eskimo), was jedoch im Falle der Bezeichnung „Inuit“ selbst wieder zu Verstrickungen geführt hat. Körperliche und geistige Einschränkungen Statt als abwertend empfundener Formulierungen wie „Krüppel“ werden neutralere Ausdrücke wie „Menschen mit Behinderung“ benutzt. Vor allem in den USA, wo die meisten dieser Prägungen entstanden sind, werden Bezeichnungen ins Positive verschoben, um den Fokus nicht auf den Mangel zu lenken, etwa: „anders begabt“ oder „mental herausgefordert“ (mentally challenged) für „geistig behindert“ oder „visuell herausgefordert“ (visually challenged) für „blind“. Allgemein hat hier das challenged (herausgefordert) die Bezeichnung handicapped (behindert) ersetzt. (Die Bezeichnungen „vertikal herausgefordert“ (vertically challenged) für „kleinwüchsig“ oder „gravitativ benachteiligt“ für „übergewichtig“ sind dagegen Scherz-Ausdrücke zur ironischen Distanzierung von der politischen Korrektheit.) Inzwischen wird oft anstatt der Bezeichnung „Behinderte“ die Form „Menschen mit Behinderung“ verwendet, um die Reduzierung der Menschen auf ihre Behinderung zu verringern. Eine weitere Verschiebung setzt statt auf „Behinderung“ auf alternative Wendungen, so hieß es früher „Lernbehinderte“, danach „Lernhilfeschüler“ und heute „Förderschüler“. Bevorzugt wird politisch korrekt so formuliert, dass die behindernde Barriere sichtbar wird gerade dann, wenn sie vermieden oder beseitigt wurde. Daher heißt es eher barrierefreier Eingang oder Rollstuhlzufahrt als Behinderteneingang oder Weißschrift/Reliefschrift statt Blindenschrift. Solche Bezeichnungen nehmen also nicht Bezug auf Gruppen von Menschen, die anhand eines bestimmten Merkmals gebildet wurden (etwa Behinderte, Blinde, Taube, Stumme, Gelähmte), sondern beziehen sich direkt auf das konstituierende Merkmal oder das entscheidende Hilfsmittel (etwa Rollstuhl). Kritik Die Kritik an „politischer Korrektheit“ lässt sich unterteilen in einen sprachkritischen und einen sprachpolitischen Zweig. Beispielsweise weist der Philosoph Slavoj Žižek (* 1949) darauf hin, dass sich „politisch korrekte“ Bezeichnungen abnutzten (die Ersatzbezeichnungen erben mit der Zeit die Bedeutung des Wortes, das sie ersetzen sollten), wenn sie nicht mit einer Veränderung der sozialen Wirklichkeit einhergingen. So sei allein durch eine fortwährende Neuschöpfung von Ersatzbezeichnungen (wie in dem US-amerikanischen Beispiel Negro – black people – coloured people – African-Americans) noch keine Veränderung erzielt, wenn nicht den Worten eine tatsächliche soziale Integration folge. Die rein sprachliche Prägung immer neuer Bezeichnungen enthülle die Unfähigkeit, die tatsächlichen Ursachen von Rassismus und Sexismus allein durch Sprachpolitik zu überwinden. Zudem entstehe durch die laufende Neuschaffung von Wörtern oder Ausdrücken eine exzessive Struktur, da jede Bezeichnung durch den folgenden seinerseits unter Diskriminierungsverdacht gestellt und entwertet werde. Dieser Effekt wird auch „Euphemismus-Tretmühle“ genannt. Laut Žižek versucht die Geisteshaltung der „politischen Korrektheit“ durch ihre zirkuläre Selbstbezogenheit alle Spuren der Begegnung mit „dem Realen“ (Jacques Lacan) zu beseitigen. Mit ähnlichen Argumenten vertritt der Germanist Armin Burkhardt im Jahr 2010 die Auffassung, dass politische Korrektheit auf lange Sicht nicht erfolgreich sein könne, wenn nicht zugleich die alten Tabus und Vorurteile oder Aberglaube überwunden würden. Auf diesen Sachverhalt zielt auch die Interpretation von politischer Korrektheit als Kitsch ab, da diese laut dem Sozial- und Wirtschaftswissenschafter Paul Reinbacher 2015 auf kitschige Art und Weise die Realität der Postmoderne nur oberflächlich überzuckere, nicht jedoch zur konstruktiven Bearbeitung ihrer Widersprüchlichkeiten beitrage. Der Medienwissenschaftler Norbert Bolz erklärt 2017, unter dem Deckmantel der politischen Korrektheit werde „die Meinung an die Moral gebunden“ und die Gesellschaft zum Opfer eines politisch motivierten „Tugendterrors“ (vergleiche Virtue signalling: „Tugendprotzerei“). Ihr Diskurs setze sich zusammen „aus ‚Demobürokratie‘ (Niklas Luhmann) und Sprachhygiene, aus Moralismus und Heuchelei, aus Sozialkitsch und einer politisch gefährlichen Perversion der Toleranz“. Offene Diskussion sei durch Zensur, Einschüchterung und Indoktrination ersetzt worden. Wer widerspreche, werde nicht widerlegt, sondern zum Schweigen gebracht. Abweichende Meinungen würden heute schärfer als abweichendes Verhalten sanktioniert, zumeist nicht über Diskussionen, sondern über Ausschluss. Die Generation der gegenüber Verletzungen der Political Correctness besonders empfindlichen, nach 1990 geborenen Menschen wird in den USA mit negativer Konnotation als Generation Snowflake („Generation Schneeflocke“) bezeichnet. Condoleezza Rice, US-amerikanische republikanische Politikerin und Professorin für Politikwissenschaften, erklärt 2018 in einem Interview, die politische Korrektheit sei eine ernsthafte Bedrohung der universitären Lehre, wo es auch darum ginge, „die eigene Wohlfühlzone zu verlassen“. Anstatt sich mit anderen Sichtweisen zu befassen, zerfalle die Gesellschaft in immer kleinere Identitätsgruppen mit eigenem Narrativ. In der Literaturwissenschaft gibt es Kritik an der Auseinandersetzung mit Werken der Weltliteratur, wobei oft der Roman Robinson Crusoe von Daniel Defoe (1719) als Beispiel genannt wird. Grundsätzlich gilt, dass Literatur wie alle Werke der Kunst in der Rezeption dem Wandel der Zeit unterliegt. Quelle: Tendenziöse Auszüge aus https://de.wikipedia.org/wiki/Politische_Korrektheit Diese Begriffe solltest du kennen:
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Politische Korrektheit PhantastischeWörter Politische Korrektheit, häufig Political Correctness als Lehnwort aus dem Englischen (kurz PC) ist ein aus dem englischen Sprachraum stammendes politisches Schlagwort, das insbesondere in der Theorie der öffentlichen Meinung eine Rolle spielt. In der ursprünglichen Bedeutung bezeichnet der englische Ausdruck politically correct, deutsch politisch korrekt, die Zustimmung zu der Idee, dass Ausdrücke und Handlungen vermieden werden sollten, die Gruppen von Menschen kränken oder beleidigen können (etwa bezogen auf Geschlecht oder Hautfarbe). Der Ausdruck ist älter, hat aber erst seit Beginn der 1990er-Jahre größere Verbreitung gefunden. Damals wurde er von der politischen Rechten und den Konservativen in den USA aufgegriffen, um die Verwendung und vorgebliche Dominanz „politisch korrekter“ Sprache als Zensur und Einschränkung der Redefreiheit zurückzuweisen. In der Folgezeit griffen auch konservative und neurechte Kreise in Europa das Schlagwort auf. Mitte der 1980er-Jahre wandten sich Studenten vor allem der University of California gegen Pflichtkurse zur westlichen Zivilisation (western civilization), in denen nach ihrer Auffassung die Werke „toter, weißer europäischer Männer“ (dead white European males, gemeint waren vor allem Philosophen der Aufklärung) zu sehr im Vordergrund standen. Sie verlangten eine Ausweitung des Lehrstoffs auf weibliche und außereuropäische Autoren und schufen Sprachkodizes (speech codes), die auf die Einbeziehung von Minderheiten abzielten. Mit der Ausweitung dieser Sprachregelungen gewann die ironisch verwendete Bezeichnung politically correct an Bedeutung. Seit Beginn der 1990er-Jahre wurde der Ausdruck von einer reinen Selbstbeschreibung zunehmend auch zu einem pejorativ gebrauchten Kampfbegriff der politischen Rechten in den USA. Konservative Studenten, Akademiker und Journalisten übernahmen die Bezeichnung und wandelten sie in eine Chiffre zur Ablehnung linker Antidiskriminierungsbemühungen; US- Konservative verwenden sie seit den 1990er- Jahren in politischen Zusammenhängen in Auseinandersetzungen mit ihren politischen Gegnern. Allerdings wurde und wird sie auch weiterhin von undogmatischen Linken verwendet. Im Laufe der Zeit wurde der Ausdruck substantiviert zu political correctness. Ariane Manske beschrieb den abwertenden Gebrauch des Ausdrucks Political Correctness als eine der „Strategien“ der konservativen Verteidigung traditioneller Werte. „Political Correctness“ äußert sich hierbei als „vehement betriebene Diffamierungskampagne gegen die Liberals“. Die Konservativen „setzten damit eine Strategie der politischen Diffamierung aus den 1980er Jahren direkt fort. An die Stelle des L-words (eine in der Wahlkampfkampagne 1988 von Konservativen geprägter negativ konnotierte Bezeichnung für den Liberalismus) trat nun Political Correctness, um gegen den liberalen ‚Feind‘ ins Feld zu ziehen.“ Dorothy E. Smith schrieb in ihrem 1999 zu dem Thema veröffentlichten Buch, dass political correctness ein ideologischer Code und Ausdruck eines Widerstands einer traditionellen Elite gegen den Verlust von Autorität und Macht sei. Der PC-Code sei von neokonservativer Seite instrumentalisiert worden und ermögliche es, Kritik an der institutionellen Ordnung und der kulturellen Dominanz bestimmter Gruppen zu unterdrücken und diskreditieren. Der PC-Code erscheine nicht als Zensur, obwohl der Code implizit diese Funktion erfülle, indem er öffentliche Diskurse und die Autorität und Glaubwürdigkeit der Diskursteilnehmer reguliere und darüber entscheide, worüber und in welcher Weise über Themen gesprochen wird. Der französische Philosoph und Autor Alain Finkielkraut definierte Politische Korrektheit als „Nicht sehen wollen, was zu sehen ist“, was nach Interpretation von Jürg Altwegg bedeute, den Blick von einer unerträglichen Wirklichkeit abzuwenden und der Wahrheit aus Mutlosigkeit oder irgendwelchen Rücksichten nicht ins Auge zu sehen. Verwendungskontext Inzwischen lassen sich zwei verschiedene Verwendungen der Bezeichnung unterscheiden: Erstens ist politische Korrektheit ein prägnantes und bekanntes politisches Schlagwort im Kontext der insbesondere in Nordamerika, Australien und Europa seit dem späteren 20. Jahrhundert vorhandenen gesellschaftlichen Tendenz, Interessen von Minderheiten stärker zu vertreten sowie Diskriminierung insbesondere im Sprachgebrauch zu vermeiden, die in der Vergangenheit akzeptiert oder schlicht unerkannt war. Mit der Aussage, dass etwas „politisch nicht korrekt“ oder „politisch inkorrekt“ sei, soll dementsprechend ausgedrückt werden, dass eine Norm verletzt wurde, eine Äußerung (oder Handlung) allgemeinen moralischen Normen zuwiderhandelt oder gar ein Tabu gebrochen wurde. Der zweite Kontext ist die Ablehnung einer als Freiheitsbeschränkung oder Zensur empfundenen gesellschaftlichen Norm oder Kritik, sei es, um am Gewohnten festzuhalten, sei es gegen Übertreibung bei der Vermeidung als negativ empfundener Bezeichnungen, oder weil durch zu viel Rücksichtnahme die Äußerung von (als solchen empfundenen) Fakten oder Wahrheiten unterdrückt würde. Diese Kritik vermeintlicher „politischer Korrektheit“ als Kampfbegriff gegen zu viel Rücksichtnahme oder gegen einen politischen Gegner ist gleichfalls als Schlagwort in Verwendung. In einer Rede an der Universität Michigan im Mai 1991 griff US-Präsident Bush Senior diesen neuen Medienausdruck auf und setzte sich damit im Zusammenhang mit der freien Rede auseinander: „Ironischerweise stellen wir am 200. Jahrestag der Bill of Rights fest, dass die freie Rede überall in den Vereinigten Staaten angefallen wird, auch auf dem Campus einiger Universitäten. Die Idee der politischen Korrektheit hat im ganzen Land eine Kontroverse entfacht. Und obwohl die Bewegung aus dem lobenswerten Bedürfnis entstanden ist, die Überreste von Rassismus und Sexismus und Hass wegzufegen, ersetzt sie nur alte Vorurteile durch neue. Sie erklärt bestimmte Themen zum Tabu, bestimmte Ausdrücke zum Tabu und sogar bestimmte Gesten zum Tabu. Was als Kreuzzug für Anstand begann, ist umgeschlagen in einen Konfliktherd und sogar in Zensur. Streitende betrachten puren Zwang als einen Ersatz für die Kraft der Gedanken – zum Beispiel indem sie ihren Kontrahenten bestrafen oder verweisen lassen.“ 1992 verband Ric Dolphin in seinem Buch Not Politically Correct: a Field Guide to Surviving the Pc Reign of Terror die Bezeichnung PC mit den Umerziehungsmethoden der chinesischen Kulturrevolution 1966. Bedeutungsveränderung durch Konservative Ariane Manske macht wie Weir und Wilson darauf aufmerksam, dass diese Kampagne der Neokonservativen die Konnotation der Bezeichnung verändert habe. Darin liege die Erklärung, wie der „Myth of Political Correctness“ (Wilson) wirke. Er lasse nämlich einen Bezug zur „Wahrheit“ aufschimmern – der Ausdruck wurde ja in einer ähnlichen Form, aber in einem anderen Sinn von Teilen der Emanzipationsbewegungen verwandt –, entleere und deformiere jedoch den ursprünglichen Sinn. So werde aus einer begründeten und positiv konnotierten politischen Aussage („Wenn wir keinen Rassismus wollen, benötigen wir auch das Wort ‚Nigger‘ nicht mehr“ etc.) eine Unterstellung („Du willst mir meine Sprache und das Denken verbieten“) und mit der Bezeichnung „Political Correctness“ markiert. Verbunden mit Vorstellungen von Zensur und Denkverboten etc. bekommt die Redewendung nicht nur eine negative Bedeutung, sondern eine völlig neue Aussage. Diese Aussage beschäftigt sich nicht mehr mit dem eigentlichen Problem. Sie wird zu einer Aussage über etwas (Metasprache). Verkürzt und symbolisiert in der Kurzform „pc“, lässt sich je nach Bedarf und Situation mit dieser Bezeichnung politisch über etwas sprechen, es nicht nur bezeichnen, sondern es auch einordnen. Weil die ursprüngliche Verwendung des Ausdrucks den Liberalen und Linken zugeordnet wird – etwa in der Form ironischer Selbstkritik (Lorna Weir) unter Mitstreitern –, erweckt er laut Wilson eine Authentizität und lebe wie alle Mythen von einer scheinbaren Realität. Die Soziologin Weronika Grzebalska und die Politikwissenschaftlerinnen Eszter Kováts und Andrea Pető ordneten den Widerstand gegen „politische Korrektheit“ in die ökonomische, kulturelle und politische Verunsicherung ein, die mit durch den Neoliberalismus ausgelöst wurde. Durch den Widerstand gegen politische Korrektheit wurde eine mögliche Alternative zur neoliberalen Individualisierung und Atomisierung dargeboten, die eine sichere und geschützte Gemeinschaft verspricht, basierend auf traditionellen familiären, nationalen und religiösen Werten sowie dem Wert der Meinungsfreiheit. Empirische Forschung zur Sprachregulierung Verwendung in Deutschland Im Deutschen kann politische Korrektheit einen Sprachgebrauch beschreiben, der durch eine besondere Sensibilisierung gegenüber Minderheiten gekennzeichnet ist und sich der Anti-Diskriminierung verpflichtet fühlt. Der Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch fasst 2010 zusammen: „Entscheidend ist bei der politisch korrekten Sprache das Ziel, durch eine Bewusstmachung sprachlicher Diskriminierung eine Bewusstmachung tatsächlicher Diskriminierung zu erreichen. […] Politisch korrekte Sprache kann dabei helfen, strukturelle Ungleichheiten aufzudecken.“ Gleichzeitig erfuhr die Bezeichnung politische Korrektheit einen Bedeutungswandel und wird nach Ansicht von Sabine Wierlemann als politisches Schlagwort von konservativer Seite als „Diffamierungsvokabel“ und „Fremdbezeichnung für das gesamte liberale Spektrum“ eingesetzt. Nationale Rhetorik Von rechtsextremen Autoren wird der Ausdruck abwertend verwendet. Die Kritik der Rechten an dem, was sie als „politische Korrektheit“ bezeichnen, richtet sich vor allem gegen die Vertreter der 68er- Generation. Dabei geht es nach Martin Dietzsch und Anton Maegerle darum, „die Bemühungen von Liberalen, Linken, Feministinnen, Vertretern von Minderheiten und Befürwortern von Multikulturalismus um eine Öffnung der Gesellschaft, das Hinterfragen von überkommenen Tabus, Vorstellungen und Stereotypen zu karikieren und zu verfälschen. Heute dient PC dazu, Verachtung auszudrücken für diese Anschauungen und Zielsetzungen. Dabei werden etwa die Relativierung des Leistungsstandards, die angebliche Einschränkung der freien Meinungsäußerung und die Gefahren selbstzerstörerischer Separation heraufbeschworen.“ Antidiskriminierung als Grundlage Die feministische Sprachforschung und die Psycholinguistik zeigen in vielen Studien, dass bei dem Gebrauch von generischen Maskulinformen (Forscher, alle Lehrer) im verallgemeinernden Sinne für Personen aller Geschlechter die Frauen weniger vorstellbar oder sichtbar werden als die Männer (siehe Studien). Um das generische Maskulinum zu vermeiden und die Gleichstellung der Geschlechter sprachlich sichtbar zu machen, wurde bereits Ende der 1970er-Jahre die Beidnennung empfohlen: Forscher und Forscherinnen oder in der höflichen Variante: Forscherinnen und Forscher. Dies konnte mit der Schrägstrich-Schreibweise abgekürzt werden: Forscher/innen, oder gemäß amtlichen Rechtschreibregeln mit Ergänzungsstrich: Forscher/-innen. Bald kam mit dem Binnen-I eine zusammengezogene Paarform auf: ForscherInnen, LehrerInnen. Daneben wurde aber auch das Ausblenden von geschlechtlichem Bezug durch Neutralisierung empfohlen: Forschende statt Forscher, oder Lehrkräfte, Lehrende statt Lehrer. Nach der Einführung der dritten Geschlechtsoption „divers“ (2018 in Deutschland und 2019 in Österreich) werden Beidnennungen zunehmend vermieden zugunsten genderneutraler Formulierungen: Lehrende statt Lehrer und Lehrerinnen. Diversgeschlechtliche Menschen mit nichtbinärer Geschlechtsidentität sollen sich durch Paarformeln mit maskuliner und femininer Wortform nicht ausgeschlossen fühlen. Im Sinne sozialer Inklusion verbreitet sich daneben die Verwendung des Gender-Gaps (Lehrer_innen), des Gendersternchens (Lehrer*innen) und des Gender-Doppelpunkts (Lehrer:innen), um alle Geschlechter und Geschlechtsidentitäten einzubeziehen. Abstammung und Ethnie Bezüglich der Benennung von Angehörigen bestimmter Ethnien und indigenen Völker werden bevorzugt die populärsten Eigenbezeichnungen genannt und ältere Ausdrücke vermieden. In Deutschland und Österreich wird beispielsweise die Bezeichnung „Sinti und Roma“ statt der früheren Attributierung Zigeuner verwendet. Auch „Schwarze“ ist eine gebräuchliche (Eigen-)Bezeichnung und soll anderen Ausdrücken wie „Farbige“ oder „Afrodeutsche“ vorgezogen werden (die Bezeichnungen „Neger“ oder „Mohr“ werden wegen ihrer rassistischen Konnotation abgelehnt). In Kanada werden die vielen Indigenen unterteilt in die Gruppen First Nations, Métis und Inuit (statt Eskimo), was jedoch im Falle der Bezeichnung „Inuit“ selbst wieder zu Verstrickungen geführt hat. Körperliche und geistige Einschränkungen Statt als abwertend empfundener Formulierungen wie „Krüppel“ werden neutralere Ausdrücke wie „Menschen mit Behinderung“ benutzt. Vor allem in den USA, wo die meisten dieser Prägungen entstanden sind, werden Bezeichnungen ins Positive verschoben, um den Fokus nicht auf den Mangel zu lenken, etwa: „anders begabt“ oder „mental herausgefordert“ (mentally challenged) für „geistig behindert“ oder „visuell herausgefordert“ (visually challenged) für „blind“. Allgemein hat hier das challenged (herausgefordert) die Bezeichnung handicapped (behindert) ersetzt. (Die Bezeichnungen „vertikal herausgefordert“ (vertically challenged) für „kleinwüchsig“ oder „gravitativ benachteiligt“ für „übergewichtig“ sind dagegen Scherz-Ausdrücke zur ironischen Distanzierung von der politischen Korrektheit.) Inzwischen wird oft anstatt der Bezeichnung „Behinderte“ die Form „Menschen mit Behinderung“ verwendet, um die Reduzierung der Menschen auf ihre Behinderung zu verringern. Eine weitere Verschiebung setzt statt auf „Behinderung“ auf alternative Wendungen, so hieß es früher „Lernbehinderte“, danach „Lernhilfeschüler“ und heute „Förderschüler“. Bevorzugt wird politisch korrekt so formuliert, dass die behindernde Barriere sichtbar wird gerade dann, wenn sie vermieden oder beseitigt wurde. Daher heißt es eher barrierefreier Eingang oder Rollstuhlzufahrt als Behinderteneingang oder Weißschrift/Reliefschrift statt Blindenschrift. Solche Bezeichnungen nehmen also nicht Bezug auf Gruppen von Menschen, die anhand eines bestimmten Merkmals gebildet wurden (etwa Behinderte, Blinde, Taube, Stumme, Gelähmte), sondern beziehen sich direkt auf das konstituierende Merkmal oder das entscheidende Hilfsmittel (etwa Rollstuhl). Kritik Die Kritik an „politischer Korrektheit“ lässt sich unterteilen in einen sprachkritischen und einen sprachpolitischen Zweig. Beispielsweise weist der Philosoph Slavoj Žižek (* 1949) darauf hin, dass sich „politisch korrekte“ Bezeichnungen abnutzten (die Ersatzbezeichnungen erben mit der Zeit die Bedeutung des Wortes, das sie ersetzen sollten), wenn sie nicht mit einer Veränderung der sozialen Wirklichkeit einhergingen. So sei allein durch eine fortwährende Neuschöpfung von Ersatzbezeichnungen (wie in dem US- amerikanischen Beispiel Negro – black people – coloured people – African- Americans) noch keine Veränderung erzielt, wenn nicht den Worten eine tatsächliche soziale Integration folge. Die rein sprachliche Prägung immer neuer Bezeichnungen enthülle die Unfähigkeit, die tatsächlichen Ursachen von Rassismus und Sexismus allein durch Sprachpolitik zu überwinden. Zudem entstehe durch die laufende Neuschaffung von Wörtern oder Ausdrücken eine exzessive Struktur, da jede Bezeichnung durch den folgenden seinerseits unter Diskriminierungsverdacht gestellt und entwertet werde. Dieser Effekt wird auch „Euphemismus-Tretmühle“ genannt. Laut Žižek versucht die Geisteshaltung der „politischen Korrektheit“ durch ihre zirkuläre Selbstbezogenheit alle Spuren der Begegnung mit „dem Realen“ (Jacques Lacan) zu beseitigen. Mit ähnlichen Argumenten vertritt der Germanist Armin Burkhardt im Jahr 2010 die Auffassung, dass politische Korrektheit auf lange Sicht nicht erfolgreich sein könne, wenn nicht zugleich die alten Tabus und Vorurteile oder Aberglaube überwunden würden. Auf diesen Sachverhalt zielt auch die Interpretation von politischer Korrektheit als Kitsch ab, da diese laut dem Sozial- und Wirtschaftswissenschafter Paul Reinbacher 2015 auf kitschige Art und Weise die Realität der Postmoderne nur oberflächlich überzuckere, nicht jedoch zur konstruktiven Bearbeitung ihrer Widersprüchlichkeiten beitrage. Der Medienwissenschaftler Norbert Bolz erklärt 2017, unter dem Deckmantel der politischen Korrektheit werde „die Meinung an die Moral gebunden“ und die Gesellschaft zum Opfer eines politisch motivierten „Tugendterrors“ (vergleiche Virtue signalling: „Tugendprotzerei“). Ihr Diskurs setze sich zusammen „aus ‚Demobürokratie‘ (Niklas Luhmann) und Sprachhygiene, aus Moralismus und Heuchelei, aus Sozialkitsch und einer politisch gefährlichen Perversion der Toleranz“. Offene Diskussion sei durch Zensur, Einschüchterung und Indoktrination ersetzt worden. Wer widerspreche, werde nicht widerlegt, sondern zum Schweigen gebracht. Abweichende Meinungen würden heute schärfer als abweichendes Verhalten sanktioniert, zumeist nicht über Diskussionen, sondern über Ausschluss. Die Generation der gegenüber Verletzungen der Political Correctness besonders empfindlichen, nach 1990 geborenen Menschen wird in den USA mit negativer Konnotation als Generation Snowflake („Generation Schneeflocke“) bezeichnet. Condoleezza Rice, US-amerikanische republikanische Politikerin und Professorin für Politikwissenschaften, erklärt 2018 in einem Interview, die politische Korrektheit sei eine ernsthafte Bedrohung der universitären Lehre, wo es auch darum ginge, „die eigene Wohlfühlzone zu verlassen“. Anstatt sich mit anderen Sichtweisen zu befassen, zerfalle die Gesellschaft in immer kleinere Identitätsgruppen mit eigenem Narrativ. In der Literaturwissenschaft gibt es Kritik an der Auseinandersetzung mit Werken der Weltliteratur, wobei oft der Roman Robinson Crusoe von Daniel Defoe (1719) als Beispiel genannt wird. Grundsätzlich gilt, dass Literatur wie alle Werke der Kunst in der Rezeption dem Wandel der Zeit unterliegt. Quelle: (Tendenziöse) Auszüge aus https://de.wikipedia.org/wiki/Politische_Korrekth eit Diese Begriffe solltest du kennen:
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