Siegfried Trapp
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© strapp 2024
Die Geschichte des SUV Design und Darwinismus Von Arno Frank Das erste „Sports Utility Vehicle“ In einem Prospekt des Jeep Cherokee von 1974 taucht erstmals der Begriff „Sports Utility Vehicle“ auf. Das SUV kommt zu seinem Namen. Wirklich interessant wird es unterdessen in England. Dort produzierte der Hersteller Rover seit 1948 ein uriges Gerät namens Land Rover, mit dem Lord Ibblewith bequem die Grenzen seiner Zuckerrohrplantagen in Rhodesien oder auf Jamaika abfahren konnte, ohne nasse Füße zu bekommen. In Ermangelung eines Empires entwickelte Rover dann 1970 den Range Rover – als bürgerliche Variante des Kolonialvehikels. Vermarktet wurde der Range Rover als Zugpferd für Pferdetransporter und als Gefährt für Jagd, Fischerei und Ausflüge nach Balmoral Castle. In Deutschland war es das G-Modell von Mercedes-Benz, ein kantiger Unimog für Waldbesitzer mit einem „von“ im Namen und genug Geld auf dem Konto. Automobiler Botschafter einer Upper Class Der Range Rover sollte zwar auch Steinschlag aushalten, Baumstämme über- und Schafherden durchqueren können. Vor allem aber sollte er in London eine gute Figur machen, quasi als automobiler Botschafter einer „upper class“, die eigentlich auf dem Land zu Hause ist – sonst würde sie Jaguar oder Bentley fahren, wouldn’t they? Ein Fahrzeug für die „Gentry“ also, den Adel. Hier, nicht in den USA oder Japan, liegt der Keim für die Gentrifizierung des Fahrens in den neoliberalen achtziger Jahren, der Ära von Margaret Thatcher. Der sicherste Weg, im Verkehr nicht einem SUV zum Opfer zu fallen, ist die Anschaffung eines SUV. Ein rollender Bunker Das SUV ist keine Kirche, es ist ein Bunker. Es ist kein U-Boot, es ist ein Panzerkreuzer. Und doch ist es eine Schöpfung unserer Ära. Was mehr über die Ära als über das SUV sagt. Zur Landplage in Deutschland wurden die SUVs erst mit einer Verspätung von einem Vierteljahrhundert. Zunächst mussten der Toyota RAV4 und der Kia Sportage den Boden bereiten. Doch erst der Einstieg und Erfolg der großen deutschen Hersteller bewirkte deren kaninchenhafte Vermehrung – der Marktanteil der SUVs liegt gegenwärtig bei knapp 30 Prozent, es ist also fast jedes dritte Auto auf deutschen Straßen ein „straßengängiger Geländewagen“ oder „geländegängiger Straßenwagen“. Dabei ist das SUV kein agrikulturelles Spezialprodukt, das sich in die Städte verirrt hat und daher aus ihnen verbannt werden müsste. Es ist für die Stadt gebaut, die Stadt und die Autobahn. Seine Herkunft aus dem Ruralen hat es höchstens in seinem Spitznamen bewahrt, „Chelsea Tractor“ in England oder, präziser, „Börsentraktor“ in Norwegen. Mit einem Range Rover und seinem eher funktionalen Design haben ein Audi Q8, ein Porsche Cayenne, ein VW Touareg oder ein Volvo XC90 nicht mehr viel gemein. Der Audi ist ein hochgelegter A8, desgleichen der Cayenne ein Panamera auf Stelzen, desgleichen der Touareg ein hoher Passat und der XC 90 im Grunde ein aufgebockter V90. Denkt man sich den unteren Teil weg, kommt wieder die handelsübliche Limousine zum Vorschein. Alles Rustikale, was noch den Cherokee oder Land Rover umwehte, ist zugunsten distinguierter Urbanität einkassiert. Es geht ums Urbane Und um das Urbane geht es. Deshalb konnte sich der Hummer aus dem Hause General Motors, ursprünglich ein Fahrzeug für die leichte Infanterie der US-Armee, in der zivilen Welt auch nie richtig durchsetzen. Er war nicht fein genug, ein Auto mit posttraumatischer Belastungsstörung. Es genügen der imposante Anschein und die schiere Macht des Faktischen, die sich schon in den mächtigen Spezifikationen ausdrückt – auch wenn moderne SUVs kaum noch über den Vierradantrieb verfügen, den es braucht, um auch nur den brandenburgischen Sand zu bewältigen. Geblieben ist die Behauptung einer Wildnis mit ihren Gefahren, die irgendwo noch lauern muss, die der Besitzer symbolisch überwunden hat und nun in der Stadt spazieren führt. Design und Darwinismus. Der X7 Steigen wir ein in den X7, das Spitzenmodell von BMW, ein Siebener auf Steroiden, wiegt zweieinhalb Tonnen, ist mit zwei Metern exakt so breit wie eine normale Spur an Baustellen auf der Autobahn und verbraucht mit seinem 400-PS-Quadturbo-Diesel bis zu 14 Liter in der Stadt – was als „sparsam“ gilt. Seine Motorhaube überragt das Dach eines Kleinwagens. Schon fordert der ADAC, die Durchfahrten an Baustellen den breiteren Autos anzupassen. Ähnliches gilt für Parkhäuser, die für das Große Anschwellen nicht gebaut sind. „Die Wucht überfällt den SUV unmittelbar, dazu ein fein komponierter Klang aus flächigen Bässen mit einer leicht angerauten Oberfläche“, schreiben die Musikkritiker der Fachzeitschrift auto motor und sport: „Drehen? Klar, geht auch, 6.000/min, gerne mehr, dann setzt der Donner ein, keineswegs jedoch ein stärkeres Gefühl der Souveränität als beim Anfahren. Von „toxischer Männlichkeit“ kann hier übrigens keine Rede sein: Ein Drittel aller SUVs wird von Frauen erworben, weit mehr von Frauen einfach nur gefahren. Das SUV ist kein beinhartes Sportgerät, sondern Festung gegen alle Fährnisse des Verkehrs. Ein „Panic Room“ auf vier Rädern. Die derzeit gängige (besser: geländegängige) These besagt, dass der Besitz eines SUV ikonografisch der Aufkündigung gesellschaftlicher Solidarität entspricht. Wer dergleichen bewegt, im Straßenverkehr zumal, rufe „Platz da!“ und wünsche, dass alle anderen Verkehrsteilnehmer sich trollen. Zwar entrückt die Welt, sobald ich es mir auf dem stufenlos beheizbaren Hochsitz bequem mache. Wenn aber das SUV nicht Ursache, sondern Symptom ist – wovon? Wohl kaum davon, dass hier ein Konsens gekündigt wurde. Schaut man sich die Zulassungszahlen an und in den Städten um, dann ist das SUV der Konsens. Das SUV, das sind wir. Niemand kauft ein solches Monstrum wider besseres Wissen. Er kauft es, eben weil er über den Krieg auf den Straßen – und nicht nur dort – informiert ist, buchstäblich nicht unter die Räder kommen will. Ein dystopisches Fluchtfahrzeug Demnach ist das SUV eben kein „Suburban Assault Vehicle“, wie es in den USA genannt wird. Sondern ein dystopisches Fluchtfahrzeug. Wenn dereinst alles zusammenbricht, dann kann ich damit querfeldein den Abflug machen. Es schützt uns vor einer allzu engen, allzu weichen, allzu niedrigen und gefährlichen Welt, wobei es die Welt noch gefährlicher macht, wovor es uns aber schützt. Denn wir sitzen hoch droben. Das zentralverriegelte SUV ist die Lösung für alle sozialen, ökonomischen und ökologischen Probleme unseres Jahrhunderts. Quelle: Ausschnitt aus https://taz.de/Die-Geschichte-des-SUV/!5623860/
Foto: Liesa Johannssen/reuters
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Die Geschichte des SUV Design und Darwinismus Von Arno Frank Das erste „Sports Utility Vehicle“ In einem Prospekt des Jeep Cherokee von 1974 taucht erstmals der Begriff „Sports Utility Vehicle“ auf. Das SUV kommt zu seinem Namen. Wirklich interessant wird es unterdessen in England. Dort produzierte der Hersteller Rover seit 1948 ein uriges Gerät namens Land Rover, mit dem Lord Ibblewith bequem die Grenzen seiner Zuckerrohrplantagen in Rhodesien oder auf Jamaika abfahren konnte, ohne nasse Füße zu bekommen. In Ermangelung eines Empires entwickelte Rover dann 1970 den Range Rover – als bürgerliche Variante des Kolonialvehikels. Vermarktet wurde der Range Rover als Zugpferd für Pferdetransporter und als Gefährt für Jagd, Fischerei und Ausflüge nach Balmoral Castle. In Deutschland war es das G-Modell von Mercedes-Benz, ein kantiger Unimog für Waldbesitzer mit einem „von“ im Namen und genug Geld auf dem Konto. Automobiler Botschafter einer Upper Class Der Range Rover sollte zwar auch Steinschlag aushalten, Baumstämme über- und Schafherden durchqueren können. Vor allem aber sollte er in London eine gute Figur machen, quasi als automobiler Botschafter einer „upper class“, die eigentlich auf dem Land zu Hause ist – sonst würde sie Jaguar oder Bentley fahren, wouldn’t they? Ein Fahrzeug für die „Gentry“ also, den Adel. Hier, nicht in den USA oder Japan, liegt der Keim für die Gentrifizierung des Fahrens in den neoliberalen achtziger Jahren, der Ära von Margaret Thatcher. Der sicherste Weg, im Verkehr nicht einem SUV zum Opfer zu fallen, ist die Anschaffung eines SUV. Ein rollender Bunker Das SUV ist keine Kirche, es ist ein Bunker. Es ist kein U-Boot, es ist ein Panzerkreuzer. Und doch ist es eine Schöpfung unserer Ära. Was mehr über die Ära als über das SUV sagt. Zur Landplage in Deutschland wurden die SUVs erst mit einer Verspätung von einem Vierteljahrhundert. Zunächst mussten der Toyota RAV4 und der Kia Sportage den Boden bereiten. Doch erst der Einstieg und Erfolg der großen deutschen Hersteller bewirkte deren kaninchenhafte Vermehrung – der Marktanteil der SUVs liegt gegenwärtig bei knapp 30 Prozent, es ist also fast jedes dritte Auto auf deutschen Straßen ein „straßengängiger Geländewagen“ oder „geländegängiger Straßenwagen“.. Dabei ist das SUV kein agrikulturelles Spezialprodukt, das sich in die Städte verirrt hat und daher aus ihnen verbannt werden müsste. Es ist für die Stadt gebaut, die Stadt und die Autobahn. Seine Herkunft aus dem Ruralen hat es höchstens in seinem Spitznamen bewahrt, „Chelsea Tractor“ in England oder, präziser, „Börsentraktor“ in Norwegen. Mit einem Range Rover und seinem eher funktionalen Design haben ein Audi Q8, ein Porsche Cayenne, ein VW Touareg oder ein Volvo XC90 nicht mehr viel gemein. Der Audi ist ein hochgelegter A8, desgleichen der Cayenne ein Panamera auf Stelzen, desgleichen der Touareg ein hoher Passat und der XC 90 im Grunde ein aufgebockter V90. Denkt man sich den unteren Teil weg, kommt wieder die handelsübliche Limousine zum Vorschein. Alles Rustikale, was noch den Cherokee oder Land Rover umwehte, ist zugunsten distinguierter Urbanität einkassiert. Es geht ums Urbane Und um das Urbane geht es. Deshalb konnte sich der Hummer aus dem Hause General Motors, ursprünglich ein Fahrzeug für die leichte Infanterie der US-Armee, in der zivilen Welt auch nie richtig durchsetzen. Er war nicht fein genug, ein Auto mit posttraumatischer Belastungsstörung. Es genügen der imposante Anschein und die schiere Macht des Faktischen, die sich schon in den mächtigen Spezifikationen ausdrückt – auch wenn moderne SUVs kaum noch über den Vierradantrieb verfügen, den es braucht, um auch nur den brandenburgischen Sand zu bewältigen. Geblieben ist die Behauptung einer Wildnis mit ihren Gefahren, die irgendwo noch lauern muss, die der Besitzer symbolisch überwunden hat und nun in der Stadt spazieren führt. Design und Darwinismus. Der X7 Steigen wir ein in den X7, das Spitzenmodell von BMW, ein Siebener auf Steroiden, wiegt zweieinhalb Tonnen, ist mit zwei Metern exakt so breit wie eine normale Spur an Baustellen auf der Autobahn und verbraucht mit seinem 400-PS-Quadturbo-Diesel bis zu 14 Liter in der Stadt – was als „sparsam“ gilt. Seine Motorhaube überragt das Dach eines Kleinwagens. Schon fordert der ADAC, die Durchfahrten an Baustellen den breiteren Autos anzupassen. Ähnliches gilt für Parkhäuser, die für das Große Anschwellen nicht gebaut sind. „Die Wucht überfällt den SUV unmittelbar, dazu ein fein komponierter Klang aus flächigen Bässen mit einer leicht angerauten Oberfläche“, schreiben die Musikkritiker der Fachzeitschrift auto motor und sport: „Drehen? Klar, geht auch, 6.000/min, gerne mehr, dann setzt der Donner ein, keineswegs jedoch ein stärkeres Gefühl der Souveränität als beim Anfahren. Von „toxischer Männlichkeit“ kann hier übrigens keine Rede sein: Ein Drittel aller SUVs wird von Frauen erworben, weit mehr von Frauen einfach nur gefahren. Das SUV ist kein beinhartes Sportgerät, sondern Festung gegen alle Fährnisse des Verkehrs. Ein „Panic Room“ auf vier Rädern. Die derzeit gängige (besser: geländegängige) These besagt, dass der Besitz eines SUV ikonografisch der Aufkündigung gesellschaftlicher Solidarität entspricht. Wer dergleichen bewegt, im Straßenverkehr zumal, rufe „Platz da!“ und wünsche, dass alle anderen Verkehrsteilnehmer sich trollen. Zwar entrückt die Welt, sobald ich es mir auf dem stufenlos beheizbaren Hochsitz bequem mache. Wenn aber das SUV nicht Ursache, sondern Symptom ist – wovon? Wohl kaum davon, dass hier ein Konsens gekündigt wurde. Schaut man sich die Zulassungszahlen an und in den Städten um, dann ist das SUV der Konsens. Das SUV, das sind wir. Niemand kauft ein solches Monstrum wider besseres Wissen. Er kauft es, eben weil er über den Krieg auf den Straßen – und nicht nur dort – informiert ist, buchstäblich nicht unter die Räder kommen will. Ein dystopisches Fluchtfahrzeug Demnach ist das SUV eben kein „Suburban Assault Vehicle“, wie es in den USA genannt wird. Sondern ein dystopisches Fluchtfahrzeug. Wenn dereinst alles zusammenbricht, dann kann ich damit querfeldein den Abflug machen. Es schützt uns vor einer allzu engen, allzu weichen, allzu niedrigen und gefährlichen Welt, wobei es die Welt noch gefährlicher macht, wovor es uns aber schützt. Denn wir sitzen hoch droben. Das zentralverriegelte SUV ist die Lösung für alle sozialen, ökonomischen und ökologischen Probleme unseres Jahrhunderts. Quelle: Ausschnitt aus https://taz.de/Die- Geschichte-des-SUV/!5623860/
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