Quito, Mittwoch, 21.08.1991
Fünfeinhalb Jahre sind seit der letzten Eintragung ins Land gezogen. Ich bedaure, dass von
diesem Zeitraum Aufzeichnungen fehlen, es hat sich viel ereignet. Weshalb habe ich nichts
zu Papier gebracht? Es gibt wohl mehrere Gründe dafür. Hauptursache dürfte die Ankunft
Bn.s gewesen sein, die naturgemäß die Fixiertheit auf die eigene Person beträchtlich
verringert hat. Verbunden damit hat die innere Zerrissenheit stark abgenommen,
Abgeklärtheit und Festigkeit zugenommen; ebenso die Gewöhnung an das Arbeitsfeld
Schule und das Umfeld Ecuador. Seit sieben Jahren lebe ich nun hier, und dieser wichtige
Lebensabschnitt nähert sich nun dem Ende. Zeit für eine Bilanz.
Vorneweg: Die Gesamtbilanz ist positiv. Ich habe in den letzten Tagen noch einmal die
Aufzeichnungen aus dem Zeitraum August 1983 bis Februar 1986 in Deutschland gelesen;
bis zur Übersiedlung nach Quito ein verzweifeltes, teilweise auch unfähiges Agieren bzw.
besser Nichtagieren. Danach wird es wesentlich besser und ruhiger, bis auf die
Aufzeichnungen nach dem ersten Heimaturlaub, durch Infektionen und die Autoprobleme
wohl mit verursacht.
Der BMW ist offiziell im Land. Der Jeep ist auch noch da, aber in der
Zwischenzeit ist er doch die meiste Zeit ein „Automobil“. Ich möchte ein
bisschen näher auf die Abenteuer mit diesem Fahrzeug eingehen, einige
markante Erinnerungen aufgreifen.
Same, Cabañas „Rampiral“, Montag, 16.09.1991, 16:00
Wieder einmal, wie so oft in den letzten Jahren, glänzt vor mir die Sonne auf dem Pazifik,
rascheln hart die Palmblätter in der Seebrise, rauscht und donnert abwechselnd die
Brandung. Das Sonnenlicht glitzert grün bei jedem Schluck aus der „Club“-Flasche. Bn.
sitzt auf der weißen Balustrade, Levi´s „Christus kam nur bis Eboli“ lesend, mein Sohn K.
spielt mit zwei Fischernegerkindern, mit dem aufgeblasenen „Hipopótamo”: Heirat und
Geburt des ersten Sohnes haben sich in den letzen vier Jahren ereignet.
Zurück zu einigen markanten Erinnerungen mit dem CJ5; die markantesten liegen doch
schon einige Zeit zurück, und vielleicht wollen mir nicht immer die genaueren zeitlichen
Daten einfallen.
Markant war die Rückkehr von der Chimborazo-Besteigung, bei der mir der verschimmelte
Kuchen aus Ambato zu dem unauslöschlich eingeprägten
Mondaufgang über dem Berggrat verholfen hatte. Wir hatten
kaum die Staubpiste, die von der Schutzhütte herabführt,
verlassen und waren auf die Straße Guaranda - Ambato
gelangt, als aus dem Motorraum mahlende, an eine Kreissäge
erinnernde Geräusche drangen. Ich beging den Fehler
(eingedenk der Motoraussetzerprobleme auf der Fahrt nach
Esmeraldas) ungeachtet der Geräusche noch die nächste
Bergkuppe erreichen zu wollen, um die Karre anrollen zu lassen, falls sie ausgeht. Die
zurückliegenden Erfahrungen saßen tief. Nun, es war ein Fehler. Ein Blick in den Motorraum
zeigte, dass sich der Kühler aus seiner Verankerung gelöst hatte und auf das große
metallene Ventilatorrad gefallen war. Dieses hatte mit ihm kurzen Prozess gemacht. Es
dürfte etwa 6 Uhr abends gewesen sein, als dieses Malheur sich ereignete. Etwa eine halbe
Stunde später bricht in diesen Breiten (1° 28′ 9″ südliche Breite) bekanntlich in kürzester
Zeit die Nacht herein; weit und breit keine Ansiedlung, kein Haus. Während der nächsten
Stunde kam zwar ein einzelnes Fahrzeug vorbei, aber es verringerte auf unser
Armschwenken hin die Geschwindigkeit nicht im geringsten. Es mag gegen 21 Uhr gewesen
sein, als ein Lastwagen hielt. Ri. blieb als Wächter im Jeep zurück, der ecuadorianische
Bergführer und ich kletterten auf die Ladefläche des Lastwagens. Unter der Plane war es
stockfinster, wir tasteten uns zu einem möglichen Sitzplatz, über Säcke mit Zwiebeln und
über Indianer, kaum voneinander zu unterscheiden, beide aus rauem Stoff, beide keinen
Laut von sich gebend. Etwa eine halbe Stunde vor Mitternacht langten wir in Ambato an.
Um Mitternacht waren wir auf der Polizeistation, ich glaube, um den Preis des staatlichen
Abschleppdienstes zu erfragen. Ob dieser zu teuer war, oder ob das Abschleppfahrzeug
nicht da war, weiß ich nicht mehr. Wir zogen weiter, zum Präsidenten des
Bergsteigervereins in Ambato. Dessen wiederum Bruder lag zwar schon im Bett, und zwar
stark betrunken, aber er besaß ein zwar nicht ganz neues, aber doch gut funktionierendes
Abschleppfahrzeug. Er fuhr den Umständen entsprechend recht gut, und als wir mit ihm bei
Ri. ankamen, war dieser reichlich durchgefroren, das Fahrzeug stand immerhin auf etwa
4000m Höhe. Die Rückfahrt nach Ambato saßen Ri. und ich dann nebeneinander im Jeep,
in ziemlicher Schräglage, den Haken vor uns, an dem der Jeep am Abschleppfahrzeug hing.
Wo wir den kargen Rest der Nacht verbracht haben, mag ich mich nicht mehr erinnern.
Sind wir noch mit dem Bus zurück? War es überhaupt diese Chimborazobesteigung oder
war es eine andere? Der Jeep jedenfalls verblieb die ein oder andere Woche in Ambato, in
der Werkstatt eines Bekannten dieses Präsidenten. Als ich ihn nach zwei oder drei Wochen
abholte, nach einigen vergeblichen Telefonaten, prunkte ein zwar gebrauchter, aber
glänzend schwarz lackierter Kühler an ihm, für den ich allerdings den Preis eines neuen zu
bezahlen hatte. Als ich dann von Ambato kommend Quito erreicht hatte, fast zuhause war,
eben die Avenida „Los Shyris“ entlangfuhr, schlug plötzlich eine Stichflamme mitten aus
dem zentimeterdicken Kühlerblech, danach ragte etwas aus der Kühlerhaube heraus, für
mich völlig unfasslich. War ein längliches Stück eines Eisenmeteoriten vom Himmel
gefallen? Es war wesentlich profaner. In der Werkstatt in Ambato hatten sie einen
geknickten Flügel des Ventilatorrads einfach wieder gerade gebogen. Jetzt war der Flügel
abgebrochen, hatte das Blech der Motorhaube durchschlagen und war darin
steckengeblieben.
Chronologisch wären eigentlich aber die Tschechen zuvor dran gewesen, sie
sollen jetzt möglichst kurz abgehandelt werden. Im November `85 war von
ihnen die Rede gewesen, sie hatten mein Auto zur Reparatur übernommen.
Nach Tagen wurde ich von dem einen, Pe.C., angerufen: Mein Jeep sei vor
ihrem Haus gestohlen worden. Sie hätten Suchmeldungen mit ausgesetzter
Belohnung lanciert, die über die Radiostationen ausgesendet worden waren
(aus Plausibilitätsgründen zeigten sie mir, nachdem ich sie aufsuchte, die
Abrechnungen mit den Sendern), diese hätten jedoch keinen Erfolg
gebracht.
Meine ganzen Ersparnisse steckten in der Karre, die natürlich nicht versichert war.
Ich hatte überhaupt keine Versicherung, für was auch immer.
Stutzig machte mich allerdings, dass das Fahrzeug, die Wasserpumpe war immerhin
ausgebaut, nicht im geringsten betriebsbereit war. Nach einigen Tagen stellte sich dann
auch heraus, dass die Karre von der Polizei abgeschleppt worden war, vermutlich auf die
Anzeige eines Nachbars der Tschechen hin, dem die illegale Straßenreparaturwerkstatt ein
Dorn im Auge war. Leider ging meine Vertrauensseligkeit zu dieser Zeit noch so weit, dass
ich den Tschechen glaubte, sie würden das Fahrzeug wieder von der Polizei zurückholen.
Nach sechs Wochen holte ich es dann selbst ab, hatte selbst den Rechtsanwalt für die
Freigabe bezahlt (als Abschleppgrund hatte übrigens die Polizei „Verlassen durch den
Besitzer“ angegeben), das Auto war auf einem
Polizeigelände weit draußen im Süden der Stadt, und
inzwischen waren nur einige Kleinigkeiten entwendet
worden, wie mein Reservekanister samt Trichter.
Das nächste Abenteuer mit dem CJ5 ereignete sich auf
einer Fahrt im Oriente, in den Regenwäldern des
Amazonasbeckens, auf der Rückfahrt von
Puerto Napo nach Quito.
Siegfried
Trapp
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